Hilde und Hans Coppi

Wider­stand Port Woling - Hil­de und Hans Cop­pi, Erin­ne­rung an eine Geschich­te des Wider­stands, die jetzt wie­der aktu­ell ist - ein unfass­ba­rer Umstand. Vor 82 Jah­ren wur­de Hans Cop­pi hin­ge­rich­tet, ein hal­bes Jahr spä­ter sei­ne Frau Hil­de. Die Stif­tung “20. Juli 1944” erin­nert an sie.


Erinnerung an Hilde und Hans Coppi

Der Sieg über den Faschis­mus im 2. Welt­krieg war neben dem über­ra­gen­den Anteil des Kamp­fes der Sowjet­uni­on bei der Befrei­ung Euro­pas auch ein Ergeb­nis des koor­di­nier­ten Kamp­fes aller Anti­fa­schis­ten in allen euro­päi­schen Län­dern - ob an der Front oder im besetz­ten Hin­ter­land. Die Sowjet­uni­on und sei­ne Füh­rung sahen es als inter­na­tio­na­lis­ti­sche Pflicht, die­sen Kampf zu unterstützen.

Anti­fa­schis­ten kämpf­ten oft völ­lig auf sich allein gestellt oder ohne von einer koor­di­nie­ren­den Kraft zu wis­sen oder mit direk­ter Unter­stüt­zung und Kon­takt zu anti­fa­schis­ti­schen Zen­tra­len im Ver­bor­ge­nen. Alle akti­ven Anti­fa­schis­ten ver­band ihre Mensch­lich­keit, ihr sich selbst erteil­tes Gebot und ihr Instinkt, etwas tun zu müs­sen gegen das unmensch­lichs­te System …

… so auch Hil­de (geb. 30.05.1909, Hil­de Rake, Sach­be­ar­bei­te­rin, Rönt­gen­as­sis­ten­tin) und Hans Cop­pi (geb. 25.01.1916, Dreher).

Bei Jedem, der den Weg zum NS-Wider­stand fand, geschah das oft nicht ohne inne­re Ängs­te und Zwei­fel. Sie gaben aber das Wah­re und Wich­tigs­te, was ein Mensch besitzt, das Leben. Vie­le opfer­ten es, weni­ge auf­rech­te, akti­ve Wider­ständ­ler über­leb­ten das → Ter­ror-Regime. Die Ster­ben­den gin­gen in den Tod in der Über­zeu­gung, das Rich­ti­ge getan zu haben - das bele­gen vie­le his­to­ri­sche Doku­men­te. Sie leb­ten ihr Leben so, dass nicht sinn­los ver­ta­ne Jah­re sie schmerz­ten, so dass sie im Ster­ben sagen konn­ten, all ihre Kraft gege­ben zu haben für das Schöns­te auf der Welt, für eine fried­li­che, lebens­wer­te, befrei­te Welt.

Das Sein jedes Ein­zel­nen von Ihnen war ein loh­nen­des und har­tes Men­schen­schick­sal, das wir nie ver­ges­sen dürfen.

Hilde und Hans Coppi - Bild: picture-alliance / akg-images
Hil­de und Hans Cop­pi - Bild: pic­tu­re-alli­ance / akg-images

Hil­de und Hans Cop­pi fan­den den Weg in die Wider­stands­be­we­gung “Rote Kapel­le”, ein Kenn­wort und auch Fahn­dungs­na­me einer Grup­pe des Wider­stands gegen den → Faschis­mus im Zwei­ten Welt­krieg, gegen die die → Gesta­po umfas­sen­de Ermitt­lungs­ar­bei­ten leis­te­te. Dazu gehör­ten deut­sche Freun­des­krei­se um Har­ro Schul­ze-Boy­sen, Arvid Har­nack, Ilse Stö­be und wei­te­re in Berlin/Brandenburg sowie unab­hän­gig von die­sen auch nach­rich­ten­dienst­lich akti­ve Wider­stands­grup­pen u.a. in Paris und Brüssel.

Wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs ermit­tel­te die von der allein­herr­schen­den NSDAP-Regier­unf ideo­lo­gisch gleich­ge­schal­te­te Gesta­po als poli­ti­sche Poli­zei gegen Widerstandsgruppen.

Da der Wider­stand gegen Raub­krieg und Faschis­mus inter­na­tio­na­lis­ti­schen Cha­rak­ter trug, wur­den natür­lich (wie man es heu­te bei der Ver­leum­dung von wah­ren Anti­fa­schis­ten auch kennt) die Beschul­dig­ten als gesteu­er­te Spio­ne einer frem­den Macht, der Sowjet­uni­on, dar­ge­stellt. Grund­sätz­lich wur­den Men­schen, die sich nur gegen den lau­fen­den Krieg und Erobe­rungs­feld­zug gegen Euro­pa und die Sowjet­uni­on auf­lehn­ten, als Lan­des­ver­rä­ter und Spio­ne behan­delt und verurteilt.

Eine ein­fa­che öffent­li­che Stel­lung­nah­me gegen den Krieg - und wenn es nur in einer Knei­pe oder im Ver­ein war - reich­te schon, um zumin­dest in einem Zucht­haus oder Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ein­zug zu fin­den oder auch gleich durch Fall­beil oder Strang in einer Hin­rich­tungs­stät­te, wie Ber­lin-Plöt­zen­see, nach einem Urteil des Volks­ge­richts­ho­fes oder Reichs­kriegs­ge­richts (wie bei Hil­de und Hans Cop­pi) den Tod zu finden.

Vie­le Wider­stands­kämp­fer, sehr oft außer­ge­wöhn­li­che und jun­ge Men­schen, fühl­ten sich ver­pflich­tet, gegen den Faschis­mus und Krieg aktiv auf­zu­tre­ten. In fol­gen­den Bil­dern (Screen­shots aus dem Buch “Illus­trier­te Geschich­te - Deut­sche Arbei­ter­ju­gend­be­we­gung - 1904 bis 1945”, Ver­lag Neu­es Leben, Ber­lin, Aus­ga­be 1987, S. 259-282) sehen wir eini­ge von Ihnen und ihr Schick­sal. Geden­ken wir ihnen als Mah­nung in alle Ewig­keit und als Vor­bild für das Heute.

Das faschis­ti­sche Ter­ror­re­gime hat­te die Ver­ein­nah­mung, → Pro­pa­gan­da und Indok­tri­na­ti­on der gro­ßen Mas­se der Gesell­schaft so per­fek­tio­niert, dass der Wider­stand nur von einem klei­nen Teil der Men­schen getra­gen wur­de. Vie­le Men­schen sind dem Ter­ror­re­gime mehr oder weni­ger beden­ken­los gefolgt. Der Wider­stand bestand letzt­lich aus einer Min­der­heit, weil eben Deutsch­land ein Ter­ror­re­gime hat­te, inkl. Juden­ver­fol­gung, Feind­bild-Pro­pa­gan­da und dem Sys­tem der Denun­zia­ti­on, das Hass und Angst erzeug­te, die prak­tisch schon in unmit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft zu erfah­ren war.

Hil­de und Hans Cop­pi waren nicht von Beginn an im Wider­stand. Sie leb­te aber mit offe­nen Augen und einem huma­nis­ti­schem Welt­bild. Trotz ihrer Ängs­te wur­den sie poli­tisch aktiv, kämpf­ten. Erst nach und nach fand die unschein­ba­re Hil­de ihren Platz in der soge­nann­ten Wider­stands­grup­pe “Roten Kapel­le”. Sie ging eine Ehe mit Hans Cop­pi ein und wur­de Mit­glied in der Grup­pe. Kurz vor ihrer Hoch­zeit frag­te Har­ro Schul­ze-Boy­sen Hans Cop­pi, ob er als Fun­ker der Roten Kapel­le tätig sein wolle.

Im Som­mer 1942 deck­te die Gesta­po die Wider­stands­or­ga­ni­sa­ti­on um Har­nack und Schul­ze-Boy­sen auf und ermit­tel­te gegen sie unter dem Sam­mel­na­men „Rote Kapel­le“. Sie dis­kre­di­tier­te die­se Wider­stands­grup­pe als eine Spio­na­ge­or­ga­ni­sa­ti­on der Sowjet­uni­on. Die Mit­glie­der wur­den des­halb als „Lan­des­ver­rä­ter“ ange­klagt. Ende 1942 fäll­te das Reichs­kriegs­ge­richt die ers­ten Todes­ur­tei­le; ins­ge­samt wur­den mehr als 50 Mit­glie­der der Roten Kapel­le ermor­det (Quel­le: Gedenk­stät­te deut­scher Wider­stand, 14. Die Rote Kapel­le, 12.12.2024).

Hil­de unter­stütz­te ihren Mann nicht nur, sie wirk­te auch allein. Bei­de waren im Wider­stand aktiv und ver­leb­ten trotz stän­di­ger Lebens­ge­fahr einen glück­li­chen Som­mer. Im Jahr 1942 wur­de Hil­de und Hans Cop­pi in Ber­lin ver­haf­tet. Hil­de Cop­pi war zu die­sem Zeit­punkt schon schwan­ger. Ihnen wur­de u.a. das Ver­fas­sen von Schrif­ten gegen das Nazi-Regime vor­ge­wor­fen sowie das Abhö­ren von Feind­sen­dern. Im Gefäng­nis ent­wi­ckel­ten bei­de unglaub­li­che Kräfte.

Hil­de Cop­pi brach­te ihren Sohn im Gefäng­nis zur Welt. Trotz der Tren­nung mach­te sie die Erin­ne­rung an ihren gelieb­ten Mann stark. In den Wochen im Gefäng­nis hoff­te sie auf ein Lebens­zei­chen ihres Man­nes, obwohl sie immer Schlim­mes ahn­te. Erst zur Urteils­ver­kün­dung des Reichs­kriegs­ge­richts erfuhr sie, dass ihr Hans tot war. Am 31. Janu­ar 1943 schrieb sie an ihre Schwie­ger­mut­ter Frie­da, die sie Mama nannte:

Wenn wir uns auch bei­de, Hans und ich, völ­lig klar über unser Schick­sal waren, so ist doch die voll­ende­te Tat­sa­che hart, här­ter für Euch noch als für mich. Wer es über­le­ben muss, lei­det am meis­ten.“ “Sehr, sehr lieb“ hät­ten sie und Hans sich gehabt; das kön­ne sie, Frie­da, spä­ter ihrem Enkel­sohn sagen. Um den kreis­te in den letz­ten Mona­ten ihr gan­zes Sin­nen und Den­ken. Nicht nur Hoff­nung für die Zukunft sei er gewor­den, son­dern der Sinn und Höhe­punkt ihres Daseins. Der Jun­ge, von dem die trau­ern­de Hil­de Cop­pi spricht, ist neun Wochen alt. Im Ber­li­ner Frau­en­ge­fäng­nis Bar­nim­stra­ße (Fried­richs­hain) hat sie ihn gebo­ren, am 27. Novem­ber 1942, zwei­ein­halb Mona­te nach ihrer Ver­haf­tung. Er heißt wie sein Vater: Hans. Zwei Wochen nach der Geburt durf­te sich die Fami­lie in der Gesta­po­zen­tra­le an der Prinz-Albrecht-Stra­ße 8 (heu­te: Nie­der­kirch­ner­stra­ße) sehen. Zum ers­ten und letz­ten Mal (Quel­le und Aus­zug: Ber­li­ner Zei­tung, Micha­el Bret­tin, Hil­de Cop­pi: Für die BRD eine Ver­rä­te­rin, in der DDR eine Hel­din, 18.02.2024 16:45 Uhr).

Schon am 9. Dezem­ber schrieb Hans Cop­pi sei­ner Mut­ter Frieda:

Es gebe wohl nichts, „was Hil­de und mich noch enger mit­ein­an­der ver­bin­den könn­te als die­ses neue Leben. Haben wir da nicht allen Grund, das Glück, das uns die Gegen­wart beschert, aus­zu­kos­ten (…)?“ Es war sein letz­ter Brief (Quel­le wie zuvor).

Mit 24 und 26 Jah­ren wur­den sie zum Tode ver­ur­teilt. Am 22.12.1042 wur­de Hans Cop­pi hin­ge­rich­tet. Hil­de Cop­pi wur­de am 05.08.1943 mit zwölf wei­te­ren ange­klag­ten Frau­en im Straf­ge­fäng­nis Ber­lin-Plöt­zen­see durch das Fall­beil enthauptet.

Ihren Sohn Hans zogen die Eltern von Hans Cop­pi groß. Hand jr. erin­ner­te sich später:

Vor eini­gen Jah­ren fand ich im Bun­des­ar­chiv auf einer klei­nen Kar­te einen Ein­trag vom Gefäng­nis­pfar­rer des Ber­li­ner Frau­en­ge­fäng­nis: „Hil­de Cop­pi, Hoch­ver­rat und Lan­des­ver­rat, Schul­ze-Boy­sen-Kreis, zart, fein, tap­fer, ganz selbst­los. Gebar am 27.11.1942 ihr Kind. Hin­rich­tung ihres Man­nes durf­te ihr nicht mit­ge­teilt wer­den, ließ dar­um ihren Schmerz nicht laut wer­den. Kind wur­de von ihrer Mut­ter erst in der Woche der Hin­rich­tung geholt. Stolz, beherrscht und lieb. Kein Hass. Eine rüh­ren­de Per­sön­lich­keit. Rech­ne­te nie mit ‚Gna­de‘ der Men­schen. Nie bereut.“ Im Ber­li­ner Frau­en­ge­fäng­nis an der Bar­nim­stra­ße ver­brach­te ich die ers­ten acht Mona­te mei­nes Lebens. Geblie­ben ist ein Gefühl von Gebor­gen­heit, manch­mal erscheint es mir, als ob es die bes­te und behü­tets­te Zeit mei­nes Lebens gewe­sen sei (Zitat: Sohn von Hil­de Cop­pi, Hans Cop­pi Jr.).

Ein Spiel­film erin­nert heu­te an die Zeit von Hil­de und Hans Cop­pi. “In Lie­be, Eure Hil­de” (Regie Andre­as Dre­sen, Pan­do­ra Film Pro­duk­ti­on, 2024) ist ein lei­ser Film über den Wider­stand. Die Geschich­te über Hil­de, Hans Cop­pi und die Rote Kapel­le ist jetzt wie­der aktu­ell - ein unfass­ba­rer Umstand. In der DDR wur­de an die­se auf­rech­ten Men­schen regel­mä­ßig und wür­dig erin­nert - in der BRD gera­ten sie in Ver­ges­sen­heit oder gel­ten sogar als Ver­rä­ter - der Unter­schied im Wer­te­sys­tem der Gesellschaften.

Wolf­gang Kiessling (ali­as Woling > www.port-woling.de, ali­as Wol­le Ing > www.wolle-ing.de)

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Nachsatz

Das The­ma Erin­ne­rung und Auf­klä­rung bleibt ein am Anfang ste­hen­des Erfor­der­nis - leicht gesagt und schwer getan. Es erfor­dert viel Mut, vie­le Ideen, Mit­wir­ken­de, Platt­for­men und eine zuneh­men­de sowie enge Ver­net­zung. Port Woling betreibt wei­ter Auf­klä­rung u.a. zu den Themen …

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