2015-11 @ Mitmenschlich in Thüringen

Zeitzeichen Port Woling - Am vergangenen Montag (12.11.2015) demonstrierten ungefähr 6.000 Menschen für einen offenen und toleranten Umgang mit Flüchtlingen.


Gegen Unmenschlichkeit

Das Bünd­nis » Mit­mensch­lich in Thü­rin­gen hat­te zu die­ser Akti­on im Land der Dich­ter und Den­ker auf­ge­ru­fen. Die Demons­tra­ti­on fand statt in Erfurt unter dem Flut­licht des Doms.

Men­schen aller Berei­che der Gesell­schaft, ver­schie­dens­ter Glau­bens­rich­tun­gen, Par­tei­en, Sozi­al­ver­bän­de, Arbeit­ge­ber­ver­tre­ter, Gewerk­schaf­ten waren gefolgt. BUNT war die gemein­sa­me Far­be. Sie stell­ten sich der Unmensch­lich­keit entgegen.

Sie Alle waren sich einig gegen Flucht ver­ur­sa­chen­de Kri­sen, Krie­ge und Kata­stro­phen, gegen men­schen­feind­li­che Paro­len, gegen par­tei­po­li­ti­sche Instru­men­ta­li­sie­rung der Lage, für Hil­fen an Schutz­su­chen­de, für Welt­of­fen­heit und Mensch­lich­keit, für die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te gegen­über Asyl­su­chen­den, für mehr zivil-gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment im Sin­ne des Grund­ge­set­zes, für ein Ernst­neh­men der Ängs­te der Bür­ger im Lan­de, für wirk­sa­me Auf­nah­me, Migra­ti­on, Inte­gra­ti­on von Flücht­lin­gen, für eine bes­se­re Unter­stüt­zung von Kom­mu­nen, für eine öffent­li­che Mei­nungs­bil­dung durch bes­se­re Trans­pa­renz und Offenheit.

Sie spra­chen sich aus auch für ein Wahr­neh­men, der mit der Zuwan­de­rung ver­bun­de­nen neu­en Chan­cen für die Gesellschaft.

Sie Alle sind Anwäl­te für Mitmenschlichkeit
und tre­ten Brand­stif­tern entgegen. 

Sie alle ver­trau­en mensch­li­chen, ethisch-mora­li­schen Werten
und posi­tio­nie­ren sich dazu.

Es ist groß­ar­tig so und wich­tig für das Land - die­se Akti­on und der Auf­ruf für Mit­mensch­lich­keit. Trotz­dem - und nicht ver­ges­sen - eini­ge nach­fol­gen­de Gedanken.

Die Pflicht zum Zer­schla­gen von Unmensch­lich­keit zum Zer­schla­gen von allen rechts-ter­ro­ris­ti­schen Erschei­nun­gen und ihrer Ver­tre­ter in “NP-AfD & Co.”, sons­ti­ger rechts­extre­mer, rechts­ra­di­kal agie­ren­der Orga­ni­sa­tio­nen, von ALLEN vul­gä­ren Natio­na­lis­ten sowie brau­nen Chao­ten und Neu-Nazis - die­se Pflicht for­dert uns Alle zwingend.

Es geht nicht nur dar­um, dass eine Demo­kra­tie auch Rechts­extre­mis­mus aus­zu­hal­ten soll­te. Wenn Rechts­extre­mis­mus Ele­men­te des Ter­ro­ris­mus zeigt, wird ihn die Demo­kra­tie eben nicht aus­hal­ten. Wenn die­ser kla­re ter­ro­ris­ti­sche Ten­den­zen erzeugt - wie in der Gegen­wart, dann gehört er und sei­ne Werk­zeu­ge (Prot­ago­nis­ten, Neu-Rech­te Par­tei­en, “Wehr­wöl­fe”, Schutz­staf­feln, Bür­ger­weh­ren, sons­ti­ge Orga­ne) uner­bitt­lich und ein für alle Mal zerschlagen.

Nur eine gemein­sa­mes Vor­ge­hen und ein Weh­ret-den-Anfän­gen kann das bewir­ken - lie­be Poli­ti­ker im Bun­des­tag, den Län­dern und ihr Bür­ger­meis­ter. Wir reden über eine his­to­ri­sche Ver­pflich­tung und eine (von meh­re­ren) Bedin­gun­gen für ein fried­li­ches Morgen.

Her­bert Weh­ner (* 11.07.1906, † 19.01.1990; ehe­ma­li­ger Bun­des­mi­nis­ter für gesamt­deut­sche Fra­gen) begrün­de­te, dass eine Demo­kra­tie NICHT zwin­gend in der Lage ist, Erschei­nun­gen von Rechts­extre­mis­mus aus­zu­hal­ten. Er stell­te bereits 1967 fest:

Das Ver­bot ist ein legi­ti­mes Mit­tel gegen­über der NPD und ande­ren Erschei­nun­gen, die an die NSDAP anknüp­fen. Hier geht es nicht dar­um, mit juris­ti­scher Akri­bie Bewei­se zu erbrin­gen, son­dern dar­um, die Wie­der­ho­lung des schreck­li­chen Unglücks zu ver­hin­dern, das die NSDAP bedeu­tet hat. Wer argu­men­tiert, dass die­se Leu­te ja schon in Land­ta­gen sit­zen und des­halb akzep­tiert wer­den müs­sen, der hat - ob bewusst oder unbe­wusst - im Grun­de schon kapituliert.”

Den­ken wir nach über so ein Ver­bot von allen rechts­ra­di­ka­len Erschei­nun­gen und sei­ner sich immer neu bil­den­den Ten­ta­keln. Den­ken wir nach über die Fol­gen eines glo­ri­fi­zier­ten Ultra-Natio­na­lis­mus, eines völ­ki­schen Natio­na­lis­mus, der fal­sche, ver­häng­nis­vol­le kol­lek­ti­ve Iden­ti­tä­ten und neue Krie­ge her­auf­be­schwört. Den­ken wir nach über neu-rech­te Bewe­gun­gen, die eben eine mensch­li­che Gesell­schaft nicht ohne Wei­ters ver­kraf­ten kann. Die­se Bewe­gun­gen unter­gra­ben die Grund­fes­ten des gesell­schaft­li­chen Friedens.

Nicht noch­mal den glei­chen Feh­ler. Peter Phil­ipp Gin­gold (08.03.1916 - 29.10.2006 in Frank­furt am Main) - ein Wider­stands­kämp­fer gegen den Natio­nal­so­zia­lis­mus mahn­te schon vor Jahren:

1933 wäre ver­hin­dert wor­den, wenn alle Geg­ner der Nazis ihren Streit unter­ein­an­der zurück­ge­stellt und gemein­sam gehan­delt hät­ten. Dass die­ses gemein­sa­me Han­deln nicht zustan­de kam, dafür gab es für die Hit­ler­geg­ner in der Gene­ra­ti­on mei­ner Eltern nur eine ein­zi­ge Ent­schul­di­gung: Sie hat­ten kei­ne Erfah­rung, was Faschis­mus bedeu­tet, wenn er ein­mal an der Macht ist. Aber heu­te haben wir alle die­se Erfah­rung, heu­te muss jeder wis­sen, was Faschis­mus bedeu­tet. Für alle zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen gibt es kei­ne Ent­schul­di­gung mehr, wenn sie den Faschis­mus nicht verhindern!“

Nur nicht ver­ges­sen – tre­tet auch den URSACHEN der aktu­el­len Kapi­ta­lis­mus­kri­se, der feh­len­den Sou­ve­rä­ni­tät und Unzu­frie­den­heit unter den Wäh­lern, von Flücht­lings­strö­men, Krie­gen, Waf­fen­ex­por­ten, Sozi­al­ab­bau, Macht­miss­brauch, Mas­sen­über­wa­chung, TTIP, Hege­mo­nie­stre­ben, Ghet­toi­sie­rung, Radi­ka­li­sie­rung, Aus­gren­zung, Ras­sis­mus, etc. MEHR DENN JE ENTGEGEN. Wer Letz­te­res ver­säumt, braucht Huma­ni­tät nicht erwarten.

Schaut in das Land, in die Kom­mu­nen. Wer trägt Mit­ver­ant­wor­tung für das Erstar­ken rechts-gelei­te­ter Bür­ger­weh­ren, völ­kisch-natio­na­ler Posi­tio­nen und Bewe­gun­gen sowie anhän­gen­der Gewalt? Wer pro­fi­tiert davon?

Die Leu­te, die neue Nazis auf die glei­che Stu­fe stel­len wie die Lin­ken oder auf­rech­te Demo­kra­ten der gesell­schaft­li­chen Mit­te und so mei­nen, sich nicht posi­tio­nie­ren zu müs­sen – sie zei­gen einen völ­lig ver­kehr­ten und ver­schlei­ern­den Denk­an­satz. Ent­lar­ven sie so ihre eige­ne Zugehörigkeit?

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