1939-09-01 @ Euthanasie-Erlass

Geschichte Port Woling - Euthanasie in der NS-Diktatur - was geschah - eine NS-Historie im indirekten Vergleich … 


Euthanasie & Gesundheit in der NS-Diktatur

Vor 80 Jah­ren zum Ende des Jah­res 1940 - Deutsch­lands ers­te Wel­le einer Eutha­na­sie-Kam­pa­gne und Tötungs­ma­schi­ne­rie lief auf Hoch­tou­ren. Im Ergeb­nis wur­den wäh­rend der NS-Dik­ta­tur hun­dert­tau­sen­de Behin­der­te gene­ral­stabs­mä­ßig orga­ni­siert ermordet.

Wann begann bzw. beginnt der Faschismus?

Es konn­te gesche­hen, weil Jah­re zuvor eine ver­meint­lich demo­kra­tisch legi­ti­mier­te Ein­schrän­kung von Frei­heits­rech­ten zum Dau­er­zu­stand gemacht wur­de (sie­he Ermäch­ti­gungs­ge­setz). Die Wei­ma­rer Repu­blik war geschei­tert - eine Dik­ta­tur hat­te die Macht übernommen.

Die Aus­ein­an­der­set­zung mit der NS-Eutha­na­sie ist eine Aus­ein­an­der­set­zung mit einem der größ­ten Ver­bre­chen der Mensch­heits­ge­schich­te - dem Holo­caust. Der Begriff Eutha­na­sie ist heu­te all­ge­gen­wär­tig für geschichts­be­wuss­te (und nicht für geschichts­ver­fäl­schen­de oder -ver­ges­se­ne) Deut­sche - ein Begriff für die sys­te­ma­ti­sche Ermor­dung von Men­schen mit geis­ti­gen und kör­per­li­chen Behinderungen.

Und die Deut­schen wuss­ten von den Morden!

Und - sie wuss­ten auch, was sie in einer Dik­ta­tur des alles Beherr­schen­den erwar­tet – was sie erwar­tet bei einer Mas­sen­gleich­schal­tung (u.a. mit­tels Medi­en, Pro­pa­gan­da, Mani­pu­la­ti­on, Dem­ago­gie, gewoll­ten Unwäg­bar­kei­ten, ver­zerr­ten Infor­ma­tio­nen und völ­li­ger Unver­hält­nis­mä­ßig­keit) – was sie erwar­tet bei einer par­al­le­len Mili­ta­ri­sie­rung, einer kriegs­trei­ben­den Het­ze gegen ande­re Völ­ker – was sie erwar­tet bei der abso­lu­ten Rol­le der NSDAP (faschis­ti­sche Par­tei, Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deut­sche Arbei­ter­par­tei) mit Unter­stüt­zung des obers­ten Finanz­ka­pi­tals (Wirt­schaft, Industrie).

EUTHANASIE IN DER THEORIE

Das Wort Eutha­na­sie setzt sich zusam­men aus »eu« für »gut, schön« und »tha­na­tos« für »Tod«. In der Gegen­wart wird im inter­na­tio­na­len Dis­kurs der Begriff zumeist im Zusam­men­hang mit der Hand­lung eines Arz­tes zur Tötung auf Ver­lan­gen oder Bei­hil­fe zur Selbst­tö­tung ver­wen­det - im Sin­ne eines wür­di­gen und schmerz­lo­sen Todes. Unter­schie­den wird in akti­ve Eutha­na­sie (Tötung auf Ver­lan­gen) und pas­si­ver Eutha­na­sie (Abbruch oder Unter­las­sung lebens­er­hal­ten­der Maß­nah­men, Gabe von Schmerz­mit­teln mit der Neben­wir­kung eines schnel­le­ren Todes).

Im deut­schen Sprach­ge­biet ist der Begriff Eutha­na­sie ins­be­son­de­re aus his­to­ri­schen Grün­den (hof­fent­lich) stark nega­tiv belas­tet. Hin­ter­grund ist der Mas­sen­mord an Men­schen mit Behin­de­rung oder psy­chi­schen Krank­hei­ten in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus.

Eutha­na­sie im Natio­nal­so­zia­lis­mus basier­te auf dem ver­bre­che­ri­schen Vor­satz der »straf­frei­en Erlösungstat«.

Eine Pro­pa­gie­rung der Idee geschah in der Schrift des Straf­recht­lers Karl Bin­ding und Psych­ia­ters Alfred Hoche aus dem Jahr 1920 »Die Frei­ga­be der Ver­nich­tung lebens­un­wer­ten Lebens«. Die Schrift bezog sich auf 3 Grup­pen von betref­fen­den Personen:

  1. Die Grup­pe der durch eine Krank­heit oder Ver­let­zung unrett­bar Ver­lo­re­nen (auf­grund des eige­nen Wun­sches nach Erlö­sung bzw. einer Tötung aus eige­nem Verlangen);
  2. Die Grup­pe geis­tig gesun­der, aber bewusst­lo­ser Per­sön­lich­kei­ten ohne Aus­sicht auf gesun­des Erwa­chen (z.B. Wachkomapatienten);
  3. Die Grup­pe Schwer­be­hin­der­ter (z.B. schwers­te Behin­de­run­gen bei Neu­ge­bo­re­nen). Letz­te­re bei­den Grup­pen kön­nen nur durch Tötung auf Ver­lan­gen der Gesell­schaft oder des Staa­tes erfolgen.

Es folg­ten kon­kre­te Begriff­lich­kei­ten aus frag­wür­di­gen Über­le­gun­gen nach einem Maß­stab an Nütz­lich­keit und Wert im Nazi-Deutsch­land. Die Begrif­fe bil­de­ten prak­tisch dem­ago­gi­sche Ver­un­glimp­fun­gen, gleich­schal­ten­de Pro­pa­gan­da­schlag­wör­ter, Hass­be­grif­fe und behörd­li­che sowie ärzt­li­che Hand­lungs­emp­feh­lun­gen, z. B. »Volks­ge­sund­heit«, »nutz­lo­se Esser«, »lee­re Men­schen­hül­sen«, »lebens­un­wer­tes Leben«, »Bal­last­exis­ten­zen«.

Dar­aus ent­wi­ckel­te sich das prak­ti­sche Pro­gramm zur etap­pen­wei­sen Umset­zung von Kern­zie­len der Nazi-Ideo­lo­gie, der »Auf­ar­tung« sowie auch »Auf­nordung« des deut­schen Vol­kes. Schmack­haft mach­te man das Pro­gramm im Fol­gen­den u. a. mit ver­lo­cken­den Ehe­stands­dar­le­hen, Kin­der­bei­hil­fen, Steu­er­erleich­te­run­gen bis hin zur Über­tra­gung von Sied­ler­stel­len und Erb­hö­fen zur För­de­rung von ras­sisch erwünsch­tem Nachwuchs.

DAS GESUNDHEITSWESEN IM NATIONALSOZIALISMUS

Gesund­heit und Frei­heit stan­den im Deutsch­land der 30iger Jah­re im grund­le­gen­den Wider­spruch. Sei­nen Ursprung nah­men Gedan­ken der »Min­der­wer­tig­keit« mensch­li­chen Lebens aber schon Anfang des 19. Jahr­hun­derts. So leg­te bei­spiels­wei­se im Jahr 1914 der deut­sche Reichs­kanz­ler Beth­mann Holl­weg aus euge­ni­schen Grün­den einen Ent­wurf für ein »Gesetz zur Unfrucht­bar­ma­chung und Schwan­ger­schafts­ab­bre­chung« vor, das nur durch den Beginn des Ers­ten Welt­krie­ges ver­hin­dert wur­de. Im Jahr 1907 wur­de bereits in den USA in India­na erst­mals eine Zwangs­ste­ri­li­sa­ti­on aus euge­ni­schen Grün­den gesetz­lich erlaubt.

Selbst zur Kon­so­li­die­rung der Wei­ma­rer Repu­blik wur­den dies­be­züg­li­che Über­le­gun­gen nicht aus­ge­schlos­sen. Heil- und Pfle­ge­an­stal­ten für Psych­ia­trie-Pati­en­ten gli­chen trost­lo­sen Mas­sen­un­ter­künf­ten, in denen die Kran­ken vor sich hinvegetierten.

Eutha­na­sie im Natio­nal­so­zia­lis­mus – wenn man das The­ma betrach­tet, kann man es nicht los­ge­löst vom Gesund­heits­we­sen im NS-Staat betrach­ten, das ein Bestand­teil des Macht­ge­fü­ges und der Stra­te­gie im »Drit­ten Reich« war. Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gesund­heits­po­li­tik (u.a. Erlas­se und Geset­ze) ging ein­her mit einer zuneh­men­den und akti­ven Ein­fluss­nah­me auf die deut­sche Ärzteschaft.

Die Trans­for­ma­ti­on des Gesund­heits­we­sens in der Zeit der Jah­re 1933 bis 1945 gip­fel­te in den Eutha­na­sie-Aktio­nen. Der pro­pa­gier­te Gedan­ke der »Volks­ge­sund­heit« führ­te zur staat­lich orga­ni­sier­ten Pla­nung und Umset­zung der Ermor­dung kran­ker Men­schen. Ämter und Per­so­nen waren in die­sen kaum vor­stell­ba­ren und sich all­mäh­lich sowie zuneh­mend radi­ka­li­sie­ren­den Pro­zess involviert.

Es galt Gedan­ken­strö­mun­gen zu kana­li­sie­ren, um die Zie­le zu errei­chen. Die Macher der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideo­lo­gie arbei­te­ten mas­siv an einer Legi­ti­ma­ti­ons­ba­sis für die Erb­ge­sund­heits- und Bevölkerungspolitik.

Die Anhän­ger des Sozi­al­dar­wi­nis­mus sahen durch die Indus­tria­li­sie­rung und Moder­ni­sie­rung die natür­li­che Aus­le­se außer Kraft gesetzt. Sie begrün­de­ten ihre Sicht damit, dass das Leben kran­ker Men­schen auf­grund medi­zi­ni­scher Fort­schrit­te ver­län­gert wer­den konn­te. Den ethisch-mora­li­schen und huma­nis­ti­schen Aspekt eines wer­ten, zu schüt­zen­den Lebens negier­ten sie.

Eine gesteu­er­te, gesell­schaft­li­che Aus­le­se war im Fol­gen­den ihr ver­bre­che­ri­sches Ziel. Den Weg sahen sie in einer »posi­ti­ven Euge­nik« durch Begüns­ti­gung der Ver­meh­rung von Per­so­nen, die die ver­meid­lich bes­se­ren Erb­an­la­gen besä­ßen. Der zwei­te Weg war die spä­ter fol­gen­de mas­sen­haf­ten Ermor­dun­gen von ihrer Ansicht nach »unwer­ten Men­schen«. Das Gesund­heits­we­sen wur­de die­ser Ideo­lo­gie fol­gend angepasst.

Nicht zu ver­ges­sen ist der öko­no­misch-pro­fi­ta­bel ori­en­tier­te Zweck die­ser Ideo­lo­gie, ohne die­sem die Nazi-Lakai­en des Kapi­tals kei­ne För­de­rer gefun­den hätten.

Erst die pro­fi­ta­blen Aus­sich­ten mach­ten das Unge­heu­er­li­che mög­lich - das Pro­gramm zur »Schaf­fung eines neu­en Men­schen und neu­en Vol­kes in einer neu­en Ord­nung«. Par­al­lel wur­de auch das öko­no­mi­sche Argu­ment der hohen Kos­ten für die Für­sor­ge unheil­bar kran­ker Men­schen herangezogen.

Zur Rol­le von Adolf Hit­ler (†1945, spä­te­rer natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Dik­ta­tor öster­rei­chi­scher Her­kunft). Er war Mit­te der 20ger Jah­re bestrebt, die Gedan­ken der »Mensch­li­chen Erb­lich­keits­leh­re« wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Hit­ler mach­te sie zu sei­ner zen­tra­len Ver­bre­chens­theo­rie der »Ras­sen­hy­gie­ne«, den Grund­vor­aus­set­zun­gen für die fol­gen­de natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Gesundheitspolitik.

Die Basis für eine Eutha­na­sie­kam­pa­gne war geschaffen.

Eine Umfor­mung des Gesund­heits­we­sens mit einer vom NS-Regime gesteu­er­ten »Ver­schmel­zung von Wis­sen­schaft und Ideo­lo­gie« ging damit ein­her. Mög­lich wur­de das durch eine prak­ti­zier­te Gleich­schal­tung von ver­meint­lich wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­gen im Gesund­heits­we­sen. Die­ses Vor­ge­hen war gekenn­zeich­net durch eine Dis­kri­mi­nie­rung sowie einen Aus­schluss ande­rer fach­lich fun­dier­te (vor­geb­lich fal­scher) Grundlagen.

Die Pra­xis der Trans­for­ma­ti­on des Gesund­heits­we­sens war durch einen schlei­chen­den Pro­zess gekenn­zeich­net, der bereits Jah­re vor der Macht­er­grei­fung der Nazis begann. Aus­druck des­sen war ein ste­ti­ger Macht­ge­winn der Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen NSDAP. Din­ge und Men­schen, die ihnen gemäß ihrer Ideo­lo­gie nicht kon­form lie­fen, wur­den Schritt für Schritt, nach und nach, flä­chen­de­ckend im Land, von den Kom­mu­nen bis in die Par­la­men­te infil­triert, aus­ge­grenzt, dis­kri­mi­niert, bekämpft und beseitigt.

Die Pro­fi­teu­re des Sys­tems hat­ten ein leich­tes Spiel. Die NS-Ideo­lo­gie ver­sprach ihnen Maxi­mal­pro­fit sowie den Men­schen vor dem Hin­ter­grund der Welt­wirt­schafts­kri­se ein bes­se­res Leben. Ob es ein mensch­li­ches oder fried­li­che­res Leben sein wür­de, spiel­te kei­ne Rolle.

Berlin, Denkmal für die ermordeten Juden Europas - Bildautor: Wolle Ing
Ber­lin, Denk­mal für die ermor­de­ten Juden Euro­pas - Bild­au­tor: Wol­le Ing

Die Macht­über­nah­me wur­de vor­be­rei­tet. Die Pro­pa­gan­da bekam eine der Ver­lo­ckung der Medu­sa glei­chen­de Über­schrift »Volk, Gesund­heit und Staat«. Zweck der Stra­te­gie war es, das Gesund­heits­we­sen für die Zie­le des Natio­nal­so­zia­lis­mus nutz­bar zu machen.

Das Kon­zept der Neu­en Deut­schen Heil­kun­de ufer­te im Inter­es­se des Pro­fits in unmensch­li­chen Zwangs­ste­ri­li­sa­tio­nen, Men­schen­ver­su­chen mit tau­sen­den Todes­op­fern und Eutha­na­sie. Die zuge­hö­ri­ge NS-Pro­pa­gan­da wur­de spä­ter wei­ter­ent­wi­ckelt zur Argu­men­ta­ti­ons­li­nie bei der Ent­schei­dungs­fin­dung zu noch grö­ße­ren Verbrechen.

Es gip­fel­te im Holocaust.

VORGEBLICHE GRÜNDE FÜR DIE MORDKAMPAGNE

Ausschwitz - Bild von pixabay.com, unter der CC0 Public Domain zur freie Nutzung
Aus­schwitz - Bild von pixabay.com, unter der CC0 Public Domain zur freie Nutzung

Zur Ver­schö­nung der Eutha­na­sie-The­sen gab es wei­te­re Schlag­wör­ter wie »Gna­den­akt«, »Akti­on Gna­den­tod« oder »Akt der Erlö­sung«, als auch ein­fa­che Kos­ten-Nut­zen-Rech­nun­gen. Ein Pro­pa­gan­da­pla­kat der Nazi-Par­tei NSDAP ent­hielt die fol­gen­de Auf­rech­nung: “60.000 RM kos­tet die­ser Erb­kran­ke die Volks­ge­mein­schaft auf Lebens­zeit. Volks­ge­nos­se, das ist auch Dein Geld.” Kriegs­wirt­schaft­li­che Erwä­gun­gen wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges wur­den eben­falls zur Begrün­dung herangezogen.

Aner­kann­te wis­sen­schaft­li­che Theo­rien ver­bo­gen die Nazis im Sin­ne ihrer Zie­le. U.a. begrün­de­ten sie mit Bezug auf die Evo­lu­ti­ons­theo­rie von Charles Dar­win ihre ver­bre­che­ri­schen Vor­ha­ben. In einem stän­di­gen Aus­le­se­pro­zess wür­de die Natur das Über­le­ben ungüns­ti­ger Merk­ma­le auto­ma­tisch eli­mi­nie­ren. Also müs­se gemäß einer ras­sis­ti­schen Deu­tung und Begrün­dung der Aus­le­se­pro­zess nur beschleu­nigt wer­den, damit sich die stär­ke­re deut­sche Ras­se durch­set­zen würde.

Zur Recht­fer­ti­gung der Eutha­na­sie im »Drit­ten Reich« wur­de auch die anfangs des 20. Jahr­hun­derts im Wes­ten ver­brei­tet und dis­ku­tier­te Theo­rie der Euge­nik wei­ter­ent­wi­ckelt – im Nazi-Jar­gon »Erb­ge­sund­heits­leh­re«, »Erb­pfle­ge«, »Ras­sen­hy­gie­ne«, »Bal­last­exis­tenz«.

Die Euge­nik wur­de für die »Bevöl­ke­rungs- und Gesund­heits­po­li­tik« im Natio­nal­so­zia­lis­mus eine umfas­sen­de Zweck­theo­rie und Samm­lung theo­re­ti­scher Kon­zep­te. Sie wur­de z. T. abge­lei­tet aus Erkennt­nis­sen der Human­ge­ne­tik. Ziel der auch als natio­nal­so­zia­lis­ti­sche »Ras­sen­hy­gie­ne« bezeich­ne­ten Euge­nik war es, den Anteil posi­tiv bewer­te­ter Erb­an­la­gen zu ver­grö­ßern (posi­ti­ve Euge­nik) und den nega­tiv bewer­te­ter Erb­an­la­gen zu ver­rin­gern (nega­ti­ve Euge­nik) bzw. die ange­bo­re­nen Eigen­schaf­ten einer Ras­se durch ein »Popu­la­ti­ons-Gen-Pool« zu verbessern.

The­sen über vor­geb­li­che »Para­si­ten am deut­schen Volks­kör­per« gip­fel­ten in den prak­ti­zier­ten Ver­bre­chen durch Ver­fol­gung und Ermor­dung von Kran­ken und Men­schen mit Behin­de­rung aller Alters­grup­pen eben­so wie von Juden und Ange­hö­ri­gen ande­rer Grup­pen oder Natio­na­li­tä­ten. Die­sen »Volks­kör­per« galt es von nun an durch eine Ver­hin­de­rung der Fort­pflan­zung der Risi­ko­grup­pe “Men­schen mit mög­li­cher­wei­se vor­han­de­nen Erb­krank­hei­ten” sowie von sozi­al und ras­sisch uner­wünsch­ten Men­schen zu schützen.

Über 400.000 Män­ner und Frau­en wur­den zwangssterilisiert.

WIE ALLES BEGANN

Das Ermor­dungs­pro­gramm »Akti­on T4« (der Deck­na­me steht für Tier­gar­ten­stra­ße 4 in Ber­lin), das Hit­ler selbst in Auf­trag gab, lei­te­te die von den Nazis selbst so bezeich­ne­te »Eutha­na­sie« ein. Der ursprüng­li­che Sinn des Wor­tes (schö­ner, leich­ter Tod) wur­de zynisch ent­frem­det. Ein bezeich­nen­der Pro­pa­gan­da­text war zu sehen auf einer Lehr­ta­fel aus dem soge­nann­ten »Ras­se­at­las«, der in allen Schu­len der NS-Zeit ein­ge­setzt wur­de. Der Text lau­te­te: “Für ein Erzie­hungs­heim mit 130 Schwach­sin­ni­gen könn­te man 17 Eigen­hei­me bauen”.

Ab 1939 wur­den Mel­de­bo­gen an alle Heil- und Pfle­ge­an­stal­ten, Pfle­ge­hei­me sowie Anstal­ten im Deut­schen Reich ver­sandt. Zweck der Bögen war eine umfas­sen­de Erfas­sung von Kran­ken­his­to­rie, Auf­ent­halts­dau­er, Arbeits­fä­hig­keit und Hei­lungs­aus­sich­ten aus­nahms­los eines jeden Pati­en­ten. Zum Befra­gungs­zweck wur­den dem Per­so­nal kei­ne Aus­kunft erteilt. Auf­grund der Akten­la­ge ent­schie­den Sach­be­ar­bei­ter in Ber­lin über ein Wei­ter­le­ben oder die Tötung der Betroffenen.

Am 18.08.1939 wur­de eine Mel­de­pflicht für »miss­ge­bil­de­te« Neu­ge­bo­re­ne per Rund­erlass ein­führt. Mit Datum vom 01.09.1939 datiert ist ein Schrei­ben Hit­lers, das fol­gen­den Wort­laut besaß:

Reichs­lei­ter Bouh­ler und Dr. med. Brandt sind unter Ver­ant­wor­tung beauf­tragt, die Befug­nis­se nament­lich zu bestim­men­der Ärz­te so zu erwei­tern, dass nach mensch­li­chem Ermes­sen unheil­bar Kran­ken bei kri­tischs­ter Beur­tei­lung ihres Krank­heits­zu­stan­des der Gna­den­tod gewährt wer­den kann” (Quel­le: www.gedenkort-t4.eu/de/wissen/aktion-t4).

DAS VERBRECHEN

Die orga­ni­sa­to­ri­schen Struk­tu­ren des Kran­ken­mor­des wur­den im Herbst des Jah­res 1939 von Bouh­ler und Brandt (Hit­lers Leib­arzt) geschaf­fen. Es wur­den sechs Tötungs­an­stal­ten des Rei­ches als Schwer­punkt­an­stal­ten zum Mord­be­trieb umge­rüs­tet. Im Fal­le jüdi­scher »Pati­en­ten« spiel­ten Hei­lungs­chan­cen und Arbeits­fä­hig­keit eine gerin­ge­re Rol­le, als mehr ihre Herkunft.

Nun galt es, das medi­zi­ni­sche Per­so­nal zu ver­or­ten. Es geschah, nach­dem die “Nürn­ber­ger Geset­ze” aus dem Jahr 1935 - das “Reichs­bür­ger­ge­setz” und das sog. “Blut­schutz­ge­setz” - die deut­schen Staats­bür­ger will­kür­lich sor­tier­te und deut­sche Juden und Jüdin­nen zu »ras­sisch Frem­den« erklär­te. Jene, die nicht mit­zo­gen oder auch jüdi­schen Ärz­tin­nen und Ärz­ten wur­de durch den NS-Gesetz­ge­ber die staat­li­che Berufs­zu­las­sung entzogen.

Die Kanz­lei Hit­lers sowie Ärz­te waren die Orga­ni­sa­to­ren des Massenmordes.

Zur der »Tötung« genann­ten Ermor­dung erfolg­te ohne ein Urteil die Ein­lie­fe­rung der Opfer in spe­zi­el­le Tötungs­an­stal­ten. Die Mor­de gescha­hen durch Ver­ga­sung, Injek­ti­on zum lang­sa­men Tod, Gift­sprit­ze für einen schnel­len Tod, Ver­ab­rei­chung von Medi­ka­men­ten wie Lumi­nal, Mor­phin oder durch sys­te­ma­ti­sche Unter­ernäh­rung. An Ange­hö­ri­ge ergin­gen ohne dem Recht auf Obduk­ti­on Schrei­ben mit fal­schen Todes­ur­sa­chen und Todesorten.

»Kin­der­eu­tha­na­sie« - es war eine der grau­sams­ten, ver­ab­scheu­ungs­wür­di­gen Teil­pro­gram­me und im beson­de­ren Maße ohne jeg­li­che mora­li­sche Skru­pel. Um die eigent­li­chen Auf­trag­ge­ber, aber auch Ver­bre­chen zu tar­nen, wur­de eine Tarn­or­ga­ni­sa­ti­on mit dem Namen »Reichs­aus­schuss zur wis­sen­schaft­li­chen Erfas­sung von erb- und anla­ge­be­ding­ten schwe­ren Lei­den« eingerichtet.

Die insti­tu­tio­nel­len Täter bedien­ten sich bei ihrer Arbeit einer büro­kra­ti­schen, ent­mensch­li­chen­den Spra­che. Getö­te­te »Pati­en­ten« gal­ten als »des­in­fi­ziert« bzw. »erle­digt« Sachverhalte.

Ihre Ermor­dung war rei­ner Verwaltungsakt.

»Akti­on T4« for­der­te inner­halb einer Jah­res­frist (1940-1941) mehr als 70.000 Opfer. Trotz einer ver­such­ten Geheim­hal­tung und Gleich­schal­tung der Öffent­lich­keit war anfäng­lich eine gewis­se Empö­rung in Tei­len der Bevöl­ke­rung als auch Kir­che nicht zu ver­hin­dern. Die Auf­re­gung dar­über blieb jedoch ein lau­er Wind im Was­ser­glas. Im Gehei­men gin­gen die Tötun­gen jedoch bis zum Kriegs­en­de weiter.

Die orga­ni­sier­te Eutha­na­sie for­der­te wei­te­re Opfer - bis zum Jahr 1945 ins­ge­samt über 200.000 Ermordete.

Um nicht zu ver­ges­sen - Eutha­na­sie auf Mach­art im Natio­nal­so­zia­lis­mus Deutsch­lands ist auch ein Teil der Geschich­te Öster­reich. Das Land hat die­sen Teil sei­ner Ver­gan­gen­heit lan­ge verdrängt.

Übri­gens - das Per­so­nal der »Akti­on T4« fand sich spä­ter zum gro­ßen Teil in den Ver­nich­tungs­la­gern der »Akti­on Rein­hard« wie­der. Der Tarn­na­me war Aus­druck der Akti­on zur sys­te­ma­ti­schen Ermor­dung aller Juden und Roma des Gene­ral­gou­ver­ne­ments im deutsch besetz­ten Polen wäh­rend des Zwei­ten Weltkrieges.

Menschvernichtung im Namen der Gesundheit

Aus­gren­zung, Iso­la­ti­on Anders­den­ken­der, Anti­se­mi­tis­mus und Mas­sen­mord wur­den nun - wie nicht das ers­te Mal in der deut­schen Geschich­te - auch unter dem Vor­wand eines …

… Kamp­fes gegen Viren, Bak­te­ri­en und Seuchen …

… zum all­täg­li­chen Gesche­hen. “End­ziel muss jeden­falls sein, dass wir die­se Pest­beu­le rest­los aus­bren­nen” (Quel­le: Geheim­be­richt Regie­rungs­prä­si­dent Uebel­öhr an ver­schie­de­ne Ver­wal­tungs- und Poli­zei­stel­len des “Warthe­gaus” am 10.12.1939, in: Doku­men­ty i Mate­ria­ly III, a.a.O., S. 26-31). Nicht geneh­me Men­schen­grup­pen, ins­be­son­de­re Juden wur­den u.a. in besetz­ten Gebie­ten Polens oft mas­sen­haft als krank regis­triert und in Ghet­tos (u.a. War­schau­er Ghet­to) unter unmensch­lichs­ten Bedin­gun­gen ein­ge­pfercht. Um die “Seu­chen­ge­fahr” ein­zu­däm­men, wur­den alle als krank Regis­trier­te “aus­ge­sie­delt”.

Der Seu­chen- und Gesund­heits­schutz wur­de ein wei­te­res Argu­ment der Into­le­ranz und Aus­gren­zung. Juden, Kran­ke und sons­ti­ge unbe­que­me Men­schen­grup­pen gal­ten als Para­si­ten. Begrif­fe wie Qua­ran­tä­ne, Kri­sen­zo­nen und “Volks­hy­gie­ne” wur­den als Man­tel instru­men­ta­li­siert zur Durch­füh­rung men­schen­ver­ach­ten­der Ver­bre­chen. Es galt gleich­falls den deut­schen Volks­kör­per (men­schen­ver­ach­ten­der, “ras­sen­bio­lo­gisch” begrün­de­ter Begriff) vor einer Durch­seu­chung zu schützen.

Im Namen der Gesund­heit wur­de der Holo­caust - der natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Völ­ker­mord an 5,6 bis 6,3 Mil­lio­nen euro­päi­schen Juden - mit Kriegs­be­ginn und dem Über­fall auf Polen forciert.

DIE QUINTESSENZ

Im Ergeb­nis der Ver­bre­chen durch unmensch­li­che medi­zi­ni­sche Expe­ri­men­te und Zwangs­ste­ri­li­sa­tio­nen wur­de im Jahr 1947 im Rah­men der Urteils­ver­kün­dung zum Nürn­ber­ger Ärz­te­pro­zess der soge­nann­te Nürn­ber­ger Kodex erlas­sen. Er bil­det bis heu­te eine zen­tra­le ethi­sche Richt­li­nie bei der Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung medi­zi­ni­scher, psy­cho­lo­gi­scher und ande­rer Expe­ri­men­te am Men­schen. Er gehört wie das Gen­fer Gelöb­nis zu den medi­zin­ethi­schen Grund­sät­zen in der Medizinerausbildung.

Kann sich Geschich­te wie­der­ho­len? Die geschil­der­te ver­bre­che­ri­sche Gesund­heits­po­li­tik, Eutha­na­sie und Euge­nik - kann das wie­der gesche­hen? Um eine erneu­te schlei­chen­de Wie­der­ho­lung des Grau­ens von damals zu ver­hin­dern, muss man aller­dings ver­ste­hen, was in der NS-Dik­ta­tur geschah.

Man will die­sen Vor­gang ein­fach nur ver­ste­hen - ein Dahin-den­ken bedeu­tet ein unver­gleich­li­ches see­li­sches Wehtun.

Ein Dut­zend essen­zi­el­le Kern­er­kennt­nis­se aus den dama­li­gen Ereig­nis­sen - zu Denen im Nach­hin­ein oft genug gesagt wur­de, man habe von Nichts gewusst - las­sen sich aus his­to­ri­scher Sicht ablei­ten. Sie soll­ten ein­dring­lich, greif­bar und nach­hal­tig Leh­ren für die Zukunft bilden.

  1. Es ist mög­lich, die Bevöl­ke­rung wei­test­ge­hend von den Orten durch­ge­führ­ter Ver­bre­chen fernzuhalten.
  2. Ein Groß­teil der Gesell­schaft lässt sich durch eine mas­si­ve Gleich­schal­tung der Mei­nung (Medi­en, Pro­pa­gan­da, Mani­pu­la­ti­on) von der Not­wen­dig­keit aus­gren­zen­der Aktio­nen über­zeu­gen. Eine Zucker­brot-und-Peit­sche-Poli­tik kann nach­hal­ti­ge Ver­hal­tens­än­de­run­gen der Mas­se bewirken.
  3. Gleich­ge­schal­te­te Säu­len der Macht (Legis­la­ti­ve, Exe­ku­ti­ve, Judi­ka­ti­ve) - ihnen bis zum letz­ten Mit­ar­bei­ter ohne Wider­spruch erge­ben - sor­gen für die Rah­men­be­din­gun­gen. In einem schlei­chen­den Pro­zess lässt sich die­ser dik­ta­to­ri­sche Zustand über weni­ge Jah­re erreichen.
  4. Wei­te­re tra­gen­de Säu­len des mensch­li­chen Mit­ein­an­ders, wie freie Kom­mu­ni­ka­ti­on, Mei­nungs­aus­tausch, sach­li­che Dis­kur­se, Stand­fes­tig­keit, Ethik, Selbst­kon­trol­le, Wis­sen und Zivil­cou­ra­ge las­sen sich wei­test­ge­hend kon­trol­lie­ren, steu­ern, in Schran­ken wei­sen und letzt­lich unterbinden.
  5. Unter bestimm­ten Zwangs­vor­aus­set­zun­gen (z.B. Beschnei­dung von Bür­ger­rech­ten, Andro­hun­gen, Ent­zug Berufs­zu­las­sun­gen), moti­vie­ren­den Maß­nah­men (Pri­vi­le­gie­rung) und/oder mani­pu­la­ti­ven Mecha­nis­men (Vor­täu­schen von Post­fak­ten oder ange­pass­te Sta­tis­ti­ken) las­sen sich medi­zi­ni­sches Fach- und Pfle­ge­per­so­nal so ver­or­ten, dass sie zwei­fel­haf­ter medi­zi­ni­scher Ver­fah­ren und der Ermor­dung wehr­lo­ser Men­schen - Män­ner, Frau­en und Kin­der - skru­pel­los nach­kom­men oder es zumin­dest tolerieren.
  6. Es ist mög­lich, ein Bewusst­sein zu schaf­fen, in dem Mord für ein pro­ba­tes Mit­tel gehal­ten wird, um sozia­le oder wirt­schaft­li­che Pro­ble­me zu lösen. Eine Argu­men­ta­ti­ons­li­nie zur Ent­schei­dungs­fin­dung für Ver­bre­chen und deren Imple­men­tie­rung im gleich­ge­schal­te­ten Appa­rat ist erzielbar.
  7. Tech­ni­sche Aspek­te des Grau­ens und zur Umset­zung der Eutha­na­sie im Euge­nik-Sin­ne zur »Volks­ge­sun­dung« waren lös­bar. Es gab schon damals tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten, eine gro­ße Anzahl von Men­schen schnell und wei­test­ge­hend unbe­ob­ach­tet vom Leben zum Tode zu beför­dern. Vor­aus­set­zun­gen sind aus­ge­wähl­te zen­tra­le Stand­or­te, die anfäng­lich mit huma­nis­tisch wir­ken­den Bezeich­nun­gen getarnt und dekla­riert werden.
  8. Ein­schrän­kun­gen der per­sön­li­chen Frei­heit las­sen die Macher zu einer ver­meint­li­chen »Volks­ge­sun­dung« auch alle Mög­lich­kei­ten (dik­ta­to­ri­schen Instru­men­te und Zwangs­maß­nah­men) für jedes ande­re öko­no­mi­sche Begeh­ren der Pro­fi­teu­re ein­set­zen. Die Fra­ge nach dem »War­um« und »Wer pro­fi­tier­te«, gibt bei einem Blick auf die Mono­pol­un­ter­neh­men der dama­li­gen Welt ziel­si­cher die Ant­wor­ten. Die Pro­fi­tra­te ent­schei­det. “Mit ent­spre­chen­dem Pro­fit wird Kapi­tal kühn. 10 Pro­zent sicher, und man kann es über­all anwen­den; 20 Pro­zent, es wird leb­haft; 50 Pro­zent, posi­tiv wag­hal­sig; für 100 Pro­zent stampft es alle mensch­li­chen Geset­ze unter sei­nen Fuß; 300 Pro­zent und es exis­tiert kein Ver­bre­chen, das es nicht ris­kiert, selbst auf die Gefahr des Gal­gens” (Quel­le: Karl Marx, „Das Kapi­tal“, Band 1, MEW Bd.23, S.788, Fuß­no­te 250, Marx zitiert den eng­li­schen Gewerk­schafts­funk­tio­när Tho­mas Joseph Dunning).
  9. Ein schein­de­mo­kra­ti­sches Par­tei­en­sys­tem lässt sich ein­zig zum Zweck imple­men­tie­ren, um demo­kra­ti­sche Ver­hält­nis­se zu sug­ge­rie­ren, um in gegen­sei­ti­gen Gra­ben­kämp­fen als auch Koali­tio­nen den Ein­druck zu erwe­cken, der Sou­ve­rän und sein Wohl stän­de im Fokus aller Bemü­hun­gen. Das Par­tei­en­sys­tem wird nur bis zu dem Tag benö­tigt, bis es eine offe­ne Dik­ta­tur als über­holt auf­lö­sen wird. Bis dahin aber wird es für im wach­sen­den Mili­ta­ris­mus benö­tig­te Mit­tel und Schrit­te sor­gen als auch für eine zuneh­men­de dik­ta­to­ri­sche Gesetz­ge­bung bis hin zu einer völ­li­gen Über­wa­chung der Mas­se sowie Kon­trol­le von Allem und Jedem.
  10. Ein Qua­si-Faschis­mus wird in einem ant­ago­nis­ti­schen Sys­tem immer ent­ste­hen. Faschis­mus ent­steht nicht los­ge­löst vom kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tem. Er wird qua­si durch die Akteu­re mit dem Maxi­mal­pro­fit (Mono­pol­ka­pi­tal) und ein von den genann­ten Akteu­ren imple­men­tier­te sowie pri­vi­le­gier­te Poli­ti­sche Klas­se in den Sat­tel getra­gen - so final gesche­hen am 30.01.1933 als for­ma­le, lega­le »Macht­über­ga­be« an die NSDAP unter Tole­rie­rung der vor­geb­lich demo­kra­ti­schen Par­tei­en (spä­ter als Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten bezeich­net). Es folg­te das Ermäch­ti­gungs­ge­setz mit dem dem­ago­gi­schen Namen »Gesetz zur Behe­bung der Not von Volk und Reich«. Am 23.03.1933 stimm­te der gewähl­te Reichs­tag für das von der Hit­ler­re­gie­rung ein­ge­brach­te Gesetz (mit den Stim­men der Regie­rungs­ko­ali­ti­on aus NSDAP und DNVP sowie von Zen­trum, Baye­ri­scher Volks­par­tei (BVP) und Deut­scher Staats­par­tei). Von die­sem Zeit­punkt an lag die Macht voll­stän­dig und abso­lut in der Hand des Diktators.
  11. Eine stra­te­gisch geplan­te und schlei­chend über­tra­ge­ne unge­zü­gel­te Macht (insti­tu­tio­nell, öko­no­misch, poli­tisch, mili­tä­risch) wird unwei­ger­lich ab einem bestimm­ten Punkt errun­ge­ne demo­kra­ti­sche Frei­hei­ten ein­schrän­ken und besei­ti­gen sowie sich Step by Step wie selbst­ver­ständ­lich und unum­kehr­bar des Grau­ens bedienen.
  12. Öko­no­mi­sche Grund­la­gen des Grau­ens, die ein kol­la­bie­ren­de Kapi­ta­lis­mus mit sich bringt, sind unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zun­gen für die prak­ti­sche Umset­zung - ja sie wen­den sich offen an die eigent­li­chen faschis­to­iden Macher und Akteu­re. Der Faschis­mus ist die Macht des aggres­sivs­ten Groß­ka­pi­tals selbst. Die wahr­haft und öko­no­misch Herr­schen­den brin­gen ihre Hand­lan­ger an die Macht. Bezeich­nend dafür waren damals die rie­si­gen Aus­ga­ben der SA- und SS-Ver­bän­de, als Hit­ler, Göring und Goeb­bels am 30. Janu­ar 1933 in die Regie­rungs­ge­bäu­de der Wil­helm­stra­ße ein­zo­gen. Vor 90 Jah­ren zahl­te u.a. das Koh­len­syn­di­kat und die Schwer­indus­trie des Mono­pol­ka­pi­ta­lis­ten Kir­dorf. Im erwei­ter­ten Kreis befan­den sich als finan­zi­el­le För­de­rer des Grauenes Drei­hun­dert Rüs­tungs­in­dus­tri­el­le und Bank­her­ren von Krupp bis Co. aus Deutsch­land bis zu US-Industriellen.

Hit­ler ver­kauf­te sich den plu­to­kra­ti­schen Kon­zern­her­ren und Mono­pol­ka­pi­tal mit Haut und Haa­ren - so wie aktu­ell die Poli­ti­sche Klas­se Westeuropas.

FRAGE und AUSSICHT

Tota­li­ta­ris­ti­scher Qua­si-Faschis­mus und neu­er Mili­ta­ris­mus nah­men den Men­schen der Wei­ma­rer Repu­blik nicht nur das biss­chen Wohl­stand, son­dern auch Lebens­grund­la­gen und Frie­den. „Die WELLE“ – ein Film aus dem Jahr 2008 – ver­deut­lich­te ein­drucks­voll, wie schnell so eine gesell­schaft­li­che Situa­ti­on erreich­bar ist, in dem die Men­schen ihr Fell selbst zum Schläch­ter tra­gen. Ein Leh­rer star­te­te im Film ein Expe­ri­ment mit sei­nen Schü­lern, um die Ent­ste­hung einer Dik­ta­tur zu ver­deut­li­chen. Die Fic­tion vor einem his­to­ri­schen Hin­ter­grund wur­de schein­bar schnell zur Realität.

Die Fra­ge lau­tet: Begann es wirk­lich erst mit den Ereig­nis­sen im Jahr 1939? Im Suchen nach der Ant­wort sehen wir - das Grau­en hat­te sei­ne Vor­ge­schich­te. Alles begann banal - “es wird nicht so schlimm”. Und es begann in einem Sys­tem - einem Sys­tem des kol­la­bie­ren­den Kapi­ta­lis­mus, dem die rela­ti­ven demo­kra­ti­schen Frei­hei­ten der Wei­ma­rer Repu­blik ein Dorn im Auge waren.

Han­nah Are­ndt (†1975, jüdi­sche deutsch-US-ame­ri­ka­ni­sche poli­ti­sche Theo­re­ti­ke­rin und Publi­zis­tin) for­der­te ein “Den­ken ohne Gelän­der”. Den­ken auch wir nicht nur in den gesetz­ten Gren­zen zu einer Brau­nen Uni­form der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Den­ken wir viel­mehr dar­an, dass sich Uni­for­men ändern oder nicht wie Uni­for­men aus­se­hen. Den­ken wir dar­an, dass ein Stre­ben nach Maxi­mal­pro­fit immer Krie­ge und Ver­bre­chen begrün­den wird.

Wie Alles begann?

Mit der “Die Bana­li­tät des Bösen”! Hier und im zugrun­de lie­gen­den Sys­tem lie­gen die Ele­men­te und Ursprün­ge tota­li­tä­rer Herr­schaft. Es gilt aber, das Böse nicht als unab­än­der­lich klein zu reden.

Hin­ter dem Bösen steckt ein Sys­tem, das ganz real Akzen­te setzt und im Hin­ter­grund bit­ter­bö­se wirkt - sich mehr und mehr ent­lar­vend, je mehr es sich der Macht sicher ist.

Die fata­le Macht des Tota­li­ta­ris­mus schwebt seit der Indus­tria­li­sie­rung und zuneh­men­den Kon­zen­tra­ti­on des Kapi­tals (Mono­pol­bil­dung, Zen­tra­li­sa­ti­on, Kar­tell­bil­dung, Auf­he­bung Kon­kur­renz­kampf, unge­ahn­te Macht für Olig­ar­chen, pri­vat­ka­pi­ta­lis­ti­sche Ver­ein­nah­mung Schlüs­sel­in­dus­trien mit gesell­schaft­li­cher Stel­lung) über der Mensch­heit wie ein Damo­kles­schwert. Sie ist bereit, den Nürn­ber­ger Kodex als auch jedes aner­kann­te Men­schn­recht zu brechen.

Um nicht zu ver­ges­sen - über Allem und zu jedem his­to­ri­schen Vor­gang ste­hen immer die Fra­gen nach dem War­um und Wer den Nut­zen aus Etwas zieht.

Die­se 2 tri­via­len Fra­gen wer­den zuver­läs­si­ge Ant­wor­ten lie­fern - auch zu Vor­gän­gen der Gegen­wart und der Fra­ge, was zu tun ist.

LITERATUR UND QUELLEN

  • Götz Aly (Hrsg.): Akti­on T4: 1939–1945. Die „Euthanasie“-Zentrale in der Tier­gar­ten­stra­ße 4. 2., erwei­ter­te Auf­la­ge, Edi­ti­on Hentrich, Ber­lin 1989, ISBN 3-926175-66-4.
  • https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Action_T4?uselang=de
  • https://www.gedenkort-t4.eu/de

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HINWEIS

Die­sen Arti­kel ver­öf­fent­lich­te ich par­al­lel als Gast­bei­trag bereits am 29.12.2020 auf der Web­site des Bünd­nis gegen Rechts - Wer­ra­tal - Akti­ons­bünd­nis gegen Rechts­extre­mis­mus, Ras­sis­mus und Rech­te Gewalt im Wer­ra­tal, 99834 Gerstungen.

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