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1933-01-30 @ Hitler wird Reichskanzler
Geschichte unter Port Woling - Am 30.01.1933 ernannte der Reichspräsident Paul von Hindenburg den NSDAP-Führer Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler - nach einer fast vierjährigen Krisenphase in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Eine Entscheidung mit Vorgeschichte und gravierenden Folgen. Hindenburg und eine ausweglose Politik als Steigbügelhalter des Faschismus. Eine Vorgeschichte mit Parallelen zu heute?
Hindenburg ernennt Hitler zum Reichskanzler
Zur Lage in der Weimarer Republik
Erinnern wir uns - als der Reichspräsident Paul von Hindenburg den NSDAP-Führer Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannte, …
… war dies das Ergebnis einer unheilvollen Vorgeschichte.
Die Weimarer Republik - vom Eigenanspruch her die erste parlamentarische Demokratie in ganz Deutschland mit einem präsidialen und parlamentarischen Regierungssystem - war eben nicht so auf Demokratie eingestellt - sie war von Beginn an krank. Eine ökonomische Krise des Kapitalismus mit wachsenden ökonomischen Begehrlichkeiten im Osten, damit einhergehender Revanchismus, der durch reaktionäre Kräfte propagierte Drang nach Vergeltung für militärische und politische Niederlagen sowie zur Annullierung von Friedensbedingungen oder -verträgen - weiterhin aufkommender Militarismus und alt bewährte Feindbilder kennzeichneten die gesellschaftliche Situation.
Die föderativen Republik entstand im Ergebnis der Niederlage des deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg. In der Weimarer Republik herrschten erstmals gewisse Grundrechte (u.a. Frauenrechte, Gleichstellung aller Menschen, Freiheit der Person, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Briefgeheimnis) und eine parlamentarische Demokratie.
Und trotzdem - der erste Weltkrieg hatte keine der Ursachen beseitigt, die ihn ausbrechen ließ.
Die unversöhnlichen Widersprüche auf dem europäischen Kontinent und in der Welt hatten sich noch verschärft. Der Revanchismus in Deutschland schrie geradezu nach einer Neuaufteilung der Welt. Fernab von Vernunft und Moral reduzierte sich die Frage nach Krieg und Frieden auf einen Punkt: Wann man potent genug ist, das Vorhaben gen Osten gegen Jeden und Alles, gegen alles Slawische durchzusetzen.
Die 20ger Jahre waren gekennzeichnet durch Wirtschaftskrisen, hoher Arbeitslosigkeit und Armut. Rechte Kreise begannen frühzeitig die Ergebnisse des 1. Weltkrieges in Frage zu stellen. Sie schrieben mit der sogenannten „Dolchstoßlegende“ demokratischen Politikern und einem “bolschewistische Judentum“ die Schuld an der Niederlage im 1. Weltkrieg zu und nicht dem Kaiserreich.
Tiefe politische Spaltungen der Gesellschaft, eine miserablen Wirtschaftslage und die konservativen Eliten führen zum drohenden Zusammenbruch des Landes.
Im Jahr 1925 wurde Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik gewählt. Die vereinigten Rechtsparteien stellten ihn für die Reichspräsidentenwahl auf. Der Bekenner zur Monarchie leistete den Eid auf die Weimarer Verfassung. Hindenburg vereinnahmte sich frühzeitig die Dolchstoßlegende und machte sie erst bei rechtsextremen Kräften populär. Im Jahr 1932 - dem Jahr schwerster politischer Krisen - wurde er wiedergewählt - gegen den Kandidaten der Rechten, Adolf Hitler.
Handlungsunfähigkeit am Ende der Weimarer Republik
Die Endphase der Weimarer Republik war gekennzeichnet durch Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Parteien zu politischen Lösungen oder Kompromissen.
Die Jahre 1929 bis 1933 bildeten Jahre des Niedergangs und der Auflösung demokratischer Grundfreiheiten. Notverordnungen sollten die Gesellschaft am Leben erhalten. Sie hatten ihre Grundlage gemäß einer in Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung vorgesehene Regelung, nach der der Reichspräsident ermächtigt ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen - ohne ordentliches Gesetzgebungsverfahren durch das Parlament und unter Außerkraftsetzung der Grundrechte.
Neue Gesetze wurden in der Endphase der Weimarer Republik ohne parlamentarischen Beschluss, ohne einem handlungsfähigen Parlament erlassen. Statt des Parlaments übernahmen ein Präsidialkabinett die Regierungsgeschäfte. Es unterstand dem besonderem Recht des Reichspräsidenten.
So berief Hindenburg im Jahr 1930 ohne Einschaltung des Parlaments Heinrich Brüning († 1970, Politiker der Zentrumspartei) zum Reichskanzler. Am 1. Juni 1932 wurde Brüning durch Franz von Papen († 1969, bis 1932 Politiker der Zentrumspartei, dann parteilos, ab 1938 NSDAP) als Reichskanzler ersetzt. Von Papen plante bereits ein deutsch-französisches, antikommunistisches Bündnis.
Führungswechsel im politischen Chaos
Ab 1930 hatte die NSDAP deutliche Wahlerfolge. Ihre Protagonisten nutzten die Ergebnis der Weltwirtschaftskrise und Ausweglosigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung aktiv zum Stimmenfang.
“Die Banalität des Bösen” (nach Hannah Arendt, † 1975, Publizistin und Beobachterin zu den Nürnberger Prozessen) nahm ihren Lauf.
Inneren Rückhalt fand das faschistische Vorhaben vor allem bei Großkonzernen und Banken. Hitlers inländische Förderungen reichten aber in der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 bei weitem nicht aus. Die ökonomische Unterstützung lässt sich bis jenseits des Atlantik verfolgen. Werbende Appelle, “das drohende Chaos in Deutschland abzuwenden”, ergingen an tausende US-Millionäre - mit Erfolg.
Die Reichstagswahlen vom 06.11.1932 brachten jedoch wieder deutliche Verluste für die NSDAP. Von Papen wollte selbst eine uneingeschränkte Macht ausüben. Dazu verfolgte er das Vorhaben, Hitler sozusagen „einzurahmen“ und ihn und seine Stimmen zu kaufen.
Der Plan Papens ging nicht auf. Von Anfang Dezember 1932 bis Ende Januar 1933 amtierte Kurt Ferdinand Friedrich Hermann von Schleicher (General, Politiker, 1934 im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches ermordet) als Reichskanzler. Schleicher strebte in der Folge eine Auflösung des Reichstages ohne Neuwahlen an. Diesen Staatsstreich lehnte Hindenburg ab, worauf Schleicher am 28.01.1933 zurücktrat. Das politische Chaos spitzte sich zu.
Hindenburg ernannte 2 Tage später - am 30. Januar 1933 - Adolf Hitler zum Reichskanzler. Am 01.02.1933 löste Hitler den Reichstag auf.
Unmittelbare Folgen der Machtübergabe
Dieser Vorgang war die offizielle Machtübernahme durch den Faschismus. Er war der entscheidende Schritt auf dem unheilvollen Weg der bedenkenlosesten Kreise des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Hitlers Partei schien der politischen Praxis und den ökonomisch Mächtigen wie ihren Absichten nach die geeignete Kraft, das erstrebte Ziel zur Erfüllung der Begehrlichkeiten im Osten zu erfüllen. Keine andere Kraft war brutaler und skrupelloser. Und sie verfügte über einen Ruf in der Bevölkerung - im Angesicht von Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit.
Hitler bedeutete Krieg - und Alles zu tun zur Erringung der Vorherrschaft auf der Welt.
Von nun an herrschte die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des obersten Finanzkapitals. Alles - alle Institutionen, die ganze Gesellschaft - unterlag der Gleichschaltung. Das Regime erfüllte ohne Verzug die Erwartungen seiner Förderer.
Das Militär jubelte - die “Fesseln von Versailles” konnten endlich abgestreift werden. Jegliche Gegenbewegungen fanden brutal und effizient eine Unterdrückung.
Die weiteren Folgen
In Folge des Reichstagsbrandes legte Hitler seinem “Steigbügelhalter” Hindenburg die sogenannte “Reichstagsbrandverordnung” vor. Diese Verordnung verlieh Hitler in Kombination mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 - der rechtlichen Hauptgrundlage der nationalsozialistischen Diktatur - eine quasi diktatorische Stellung. Hindenburgs Positionen und Machtgrundlagen wurden dadurch gebrochen. Am Morgen des 02.08.1934 starb Hindenburg.
Die faschistische Diktatur hatte freie Hand. → Vokabeln Brauner Hasspredigt bestimmten fortan das gesellschaftliche Klima. Hindenburgs Entscheidung und die Vorgeschichte - Tatsachen mit gravierenden Folgen. Am Tag Hindenburgs Todes erließ das Kabinett Hitlers das Gesetz über die Zusammenlegung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten in der Person Hitlers.
Was folgte, waren u. a. Diffamierung, Ausgrenzung, Kriegsrhetorik, eine schweigende Masse, massive Aufrüstung der Wehrmacht, grauenvollster → Faschismus, → Terror, → Kristallnacht, → Krieg von deutschem Boden, Annexionen in ganz Europa, → Euthanasie-Erlass, Massenmord an 6 Mio. Polen, Unternehmen Barbarossa, der → Überfall auf die Sowjetunion mit 27 Mio. Opfern, → Babyn Yar, das → Protokoll des Wahnsinns, → Buchenwald und → Auschwitz, → Vertreibung sowie eine Neuaufteilung der europäischen Landkarte.
Stichwörter und Parallelen
Diese Vorgeschichte, Hindenburgs Entscheidung und seine Folgen - NEIN - “Dem Deutschen Volke” diente das keinesfalls. Waren sich die Führer der Weimarer Republik ihrer Entscheidungen immer bewusst? Offensichtlich JA. In diese Positionen des machtvollen Agierens gelangten sie nicht ohne ihre eigene Vorgeschichte, genügend krimineller Energie sowie die vorhandenen Strukturen des Staates und der ökonomisch Mächtigen. Die Demokratie, die sie vertraten, kam nur als blendende → Medusa des kriegerischen Systems daher.
Ist diese Vorgeschichte uns nicht zunehmend vertraut? Erkennen wir nicht viele Aspekte von damals im Heute wieder?
Sehen wir uns die Begriffe an, die den vorangehenden Bericht prägen - Begriffe wie Kapitalismus, Krise, Niederlage, Begehrlichkeiten im Osten, Revanchismus, Neuaufteilung der Welt, Militarismus, Feindbilder, Ausgrenzung, politische Handlungsunfähigkeit, Annullierung von friedenserhaltenden Verträgen, Scheindemokratie, Steigbügelhalter, Ermächtigungsgesetze, Großmachtstreben.
Sehen wir uns auch Erscheinungen an - u. a. eine sogenannte Demokratie im politischen Chaos, die durch demagogische Notverordnungen außer Kraft gesetzt wurde - ein Wahlsystem, das doch keinen Pfifferling wert war - ein Parlament, das leicht aufzulösen war - eine Dolchstoßlegende, die uns so bekannt vorkommt - politisches Unvermögen und kriminelle Energie von Partorgs, die durch ihre revanchistischen Absichten, asoziale Politik und kriegerischen Ambitionen der vollendeten Diktatur in den Sattel verhelfen - ökonomisch Mächtige des obersten Finanzkapitals, die Kriegsfinaziers, die ungeheures Kapital in ihren Händen konzentrieren.
Parallelen zu heute?
Vergessen wir nicht - Ausschwitz war nicht der Beginn der Herrschaft des Faschismus, sondern sein Ende. Hitler stand nicht am Anfang, sondern die unermessliche Gier des Großkapitals. Das haben die Nie-Wieder-Vergesslichen und demagogischen, kriegstreibenden Redner im Bundestag vergessen - selbst am Gedenktag von Ausschwitz. Wo beginnt Geschichte?
Erscheinen uns Vertreter des Großkapitals, Demagogen und Kriegsmacher erneut als der Anfang vom Ende … nach dem Versagen der → Politischen Klasse mit ihrem letzten Trumpfblatt der AfD, ihren → Braunen Netzwerken oder ähnlichen Organisationen? Wo müssen wir die → Rote Linie setzen?
Müssen wir uns im Jahr 2023 - 90 Jahre nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler - bestimmter Lehren annehmen? Was ist zu tun, um Basisdemokratie, gesellschaftlichen Fortschritt, Menschlichkeit, Gerechtigkeit sowie Frieden zu entwickeln und nicht in einem 3. Weltkrieg im existenziellen Sumpf zu versinken?
Tatsache ist - Nie-Wieder heißt Nie-Vergessen(!) - nicht die Täter, nicht die Dialektik, nicht die Ursachen, nicht die Zusammenhänge und nicht die Folgen.
Quellen:
- Literatur “Der zweite Weltkrieg” (Eine Chronik in Bilder, Heinz Bergschicker, wissenschaftliche Beratung Dr. Klaus Scheel, Militärverlag der DDR)
- Literatur “Illustrierte Geschichte Deutsche Arbeiterjugendbewegung” (Verlag Neues Leben, Berlin, 1987)
- Bundeszentrale für Politische Bildung » Vor 85 Jahren: Hindenburg ernennt Hitler
- Lernhelfer, Schülerlexikon » Paul von Hindenburg
- Der korrupte Kriegsverbrecher » Kontext: Wochenzeitung
- Orte der Demokratiegeschichte » Weimarer Republik 1918/1919 - 1933
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