1944-01-27 @ Leningrader Blockade

Geschichte Port Woling - Es war keine militärische Operation, es war von Beginn an ein geplanter, grausamster Genozid - die Blockade und Aushungerung der Stadt Leningrad im 2. Weltkrieg - Erinnerung an die Genozid von damals und heute

Hört die Geschich­te, wie sie war, und ihr hört die Signa­le … über das, was auf euch zukommt, wenn ihr die Zeit­zei­chen miss­ach­tet und nicht han­delt (Woling).

BLOCKADE

Kalenderblatt - Autor Alexej Iwanov
Kalen­der­blatt - von Ale­xej Iwanov

Leningrad

Die Blo­cka­de und Bela­ge­rung von Lenin­grad begann am 8. Sep­tem­ber 1941. Sie ende­te am 27. Janu­ar 1944 - nach fast zwei­ein­halb Jah­ren. 872 Tage dau­er­te die Bela­ge­rung zur Aus­hun­ge­rung Lenin­grads - auf Befehl Hit­lers. Hit­ler nennt die Stadt der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on ein “Gift­nest” und befiehlt Ende des Som­mers 1941, dass die Stadt “zer­schos­sen und aus­ge­hun­gert” wer­den soll.

Auschwitz

Genau ein Jahr spä­ter - zu Beginn des letz­ten Kriegs­jah­res 1945 -, gleich­falls an einem 27. Janu­ar, wur­de von der Roten Armee das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger → Ausch­witz befreit. Das KZ Ausch­witz, ein von den Deut­schen errich­te­tes Ver­nich­tungs­la­ger, befand sich im vom Deut­schen Reich annek­tier­ten Teil Polens.

Der 27. Januar

Der 27. Janu­ar - ein Tag der Befrei­ung - ein Datum mit dop­pel­ter Bedeu­tung. Was haben bei­de Ereig­nis­se gemeinsam?

Die Juden in Ausch­witz wur­den ver­gast - die Rus­sen in Lenin­grad dem Hun­ger­tod übergeben.

Es ist eine gemein­sa­me Erin­ne­rung aus einem Geschichts­buch - über die glei­chen Qua­len, die glei­chen Täter, die glei­chen Pro­fi­teu­re, die glei­chen Moti­ve, das immer Unmensch­li­che. Gibt es schrecklicheres? 

Die Täter bei­der Ereig­nis­se, es waren die Faschis­ten und ihre Taten grau­sams­ter Völ­ker­mord - auch Geno­zid genannt.

Zu Beginn bei­der Ereig­nis­se wuss­te kei­ner der Betrof­fe­nen, dass ihnen die Höl­le auf Erden bevorstand.

Geno­zid - seit der Kon­ven­ti­on über die Ver­hü­tung und Bestra­fung des Völ­ker­mor­des von 1948 ein Straf­tat­be­stand im Völ­ker­straf­recht. Die Zahl der Opfer bei­der Ereig­nis­se genau zu ermit­teln, ist schier unmög­lich. Unab­hän­gi­ge Quel­len gehen bei bei­den Ver­bre­chen von jeweils etwa 1,1 Mil­lio­nen Opfern aus. Die Lenin­gra­der star­ben über­wie­gend an Hun­ger, aber auch durch einen stän­di­gen Luft-und Artilleriebeschuss.

Tagebuch aus Leningrad

Aus dem Tage­buch der damals 11-jäh­ri­gen Tan­ja Sawit­sche­wa im bela­ger­ten Leningrad:

Schen­ja starb am 28. Dezem­ber 12:30 Uhr 1941.”
“Oma starb am 25. Janu­ar um 3:00 Uhr 1942.”
“Leka starb am 17. März um 5.00 Uhr 1942.”
“Onkel Vasya starb am 13. April 2 Uhr mor­gens 1942.”
“Onkel Lesha, 10. Mai um 4 Uhr Nach­mit­tag 1942.”
“Mama - 13. Mai um 7:30 Uhr 1942.”
“Die Savi­chevs sind gestorben.”
“Alle sind gestorben.”
“Nur Tanya blieb übrig.”

Auszug aus dem von Tanja Savičeva geführten und im Museum für Stadtgeschichte in St. Petersburg ausgestellten Tagebuch. – Foto: Wikimedia Commons
Tage­buch­aus­zug von Tan­ja Saviče­va - aus­ge­stellt im Muse­um für Stadt­ge­schich­te in St. Peters­burg - Foto: Wiki­me­dia Commons

Zei­len der nack­ten, bit­te­ren Wahr­heit über die Blo­cka­de. Kann man Leid ermessen?

Das Tage­buch der Tan­ja Sawit­sche­wa. Es wur­de von ihr tat­säch­lich im bela­ger­ten Lenin­grad geführt. Wäh­rend ihre Nächs­ten vor Hun­ger star­ben, fand sie die Kraft zum Fest­hal­ten die­ser kur­zen Zei­len. Eine unglaub­li­che Fügung brach­te sie dazu, die Erin­ne­rung an ihre Lie­ben und an die Gescheh­nis­se zu bewah­ren - am Bei­spiel einer gan­zen Fami­lie die Tra­gö­die einer gan­zen Stadt und eines gan­zen Landes.

Tan­jas Noti­zen wur­den spä­ter bei Schul­kin­dern in der Sowjet­uni­on, Russ­lands und der Bela­rus bekannt, so wie das Tage­buch der Anne Frank in der DDR. Und heu­te?

Genozid

Im Jahr 2024 beging Russ­land den 80. Jah­res­tag der voll­stän­di­gen Auf­he­bung der Bela­ge­rung von Lenin­grad am 27. Janu­ar 1944. Die Lenin­gra­der Blo­cka­de gehör­te zu den ekla­tan­tes­ten Kriegs­ver­bre­chen im Zwei­ten Welt­krieg. Sie war kei­ne mili­tä­ri­sche Ope­ra­ti­on, son­dern geziel­ter Massenmord.

Die von der deut­schen Wehr­macht im 2. Welt­krieg voll­zo­ge­ne Aus­hun­ge­rung der Stadt Lenin­grad war von Beginn an ein stra­te­gisch geplan­ter, grau­sams­ter Genozid.

Die Bela­ge­rung war Teil der faschis­ti­schen “Hun­ger­po­li­tik” gegen­über sla­wi­schen Men­schen­grup­pen. Es war NS-Stra­te­gie im Krieg gegen die Sowjet­uni­on, die Wehr­macht ohne Rück­sicht auf die Zivil­be­völ­ke­rung aus den besetz­ten Gebie­ten zu ver­sor­gen. Dabei galt es, die Ein­woh­ner durch Repres­sio­nen und Hun­ger zu vernichten.

Die­se Ver­nich­tungs­po­li­tik war zuvor schon in Polen ver­folgt wor­den. Jeder sechs­te Pole kam durch die faschis­ti­schen Besat­zer um’s Leben.

Vernichtung

Am 8. Sep­tem­ber 1941 gab es das ers­te Bom­bar­de­ment auf die Groß­stadt Lenin­grad mit sei­nen 2,5 Mil­lio­nen Ein­woh­nern. Gegen 8:00 Uhr abends gab es Luft­alarm. Die gan­ze Nacht fie­len in allen Tei­len der Stadt Bom­ben. Die Blo­cka­de begann.

Die Jun­kers kamen mit ihren tod­brin­gen­den Las­ten über Tage in Wel­len. Auch der Zoo wur­de schwer getrof­fen - Tie­re waren tod oder lie­fen ver­wirrt durch die Stra­ßen. Über der Stadt trie­ben vie­le Sperr­bal­lons gegen Luft­an­grif­fe, aber ohne viel Nutzen.

Die Men­schen dach­ten, die Stadt sein unein­nehm­bar. Das war sie in der Fol­ge auch, aber nicht unzerstörbar.

Zuerst wur­den auch die zen­tra­len Lebens­mit­tel­la­ger der Stadt getroffen.

Die stra­te­gi­sche Lebens­mit­tel­re­ser­ve war gleich zu Beginn der Bela­ge­rung ver­nich­tet. Die Mas­se der Bevöl­ke­rung wur­de nun auf Lebens­mit­tel­kar­ten mit sehr beschei­de­nen Ratio­nen ver­sorgt. Ab 15. Sep­tem­ber sank nach Berich­ten von Zeit­zeu­gen die Tages­ra­ti­on für Brot schon auf 250 Gramm.

Hunger

Die Lenin­gra­der begrif­fen immer noch nicht, was ihnen lang­fris­tog droh­te. Eini­ge hat­ten beschei­de­ne Lebens­mit­tel­vor­rä­te ange­legt - Ande­re hat­ten nichts. Der Hun­ger ent­wi­ckelt sich immer mehr zum aller­größ­ten, wahr­nehm­ba­ren Pro­blem für die Men­schen - noch vor den Luftangriffen.

Schon weni­ge Wochen nach dem Beginn der Bela­ge­rung begann der Hun­ger für die zwei­ein­halb Mil­lio­nen Men­schen in der Regi­on ernst­haf­te Aus­wir­kun­gen zu zei­gen. Zunächst kamen vor Hun­ger vie­le Fäl­le von Bewusst­seins­ver­lus­ten der Men­schen auf den Stra­ßen und bei der Arbeit. Es folg­ten die ers­ten Fäl­le von Tod durch Erschöpfung.

Lebens­mit­tel­vor­rä­te kamen nur begrenzt in die Stadt - auf dem Luft­weg und auf dem Was­ser­weg über den Lado­ga-See, bis die­ser im Win­ter gefror. Der See war als Trans­port­stre­cke über Wochen wie­der unge­eig­net, bis das Eis aus­rei­chen­de Dicke für Autos erreich­te. Alle die Trans­por­te über den See pas­sier­ten unter dem stän­di­gen Feu­er des Gegners.

Angst und Hoffnung

Die Men­schen im Blo­cka­de­ring schwank­ten inner­lich zwi­schen Hass auf die Deut­schen und dem Gefühl des Instich­ge­las­sens von der eige­nen Regierung.

Sie spür­ten wäh­rend der Angrif­fe kaum Angst - es war Nor­ma­li­tät - am schreck­lichs­ten war aber die Angst beim War­ten auf den nächs­ten Angriff. Irgend­wann begrif­fen die Lenin­gra­der, dass sie nicht allein waren - als z.B. der gro­ße sowje­ti­sche Kom­po­nist Dmi­t­ri Schost­a­ko­witsch in Lenin­grad zu Ehren der Ver­tei­di­ger sei­ne neu­es­te Sin­fo­nie schrieb. Die Geschich­te um die Urauf­füh­rung der Sin­fo­nie Nr. 7 von Dmi­t­ri Schost­a­ko­witsch im bela­ger­ten Lenin­grad war Bei­spiel für den Über­le­bens- und Sie­ges­wil­len der Lenin­gra­der. Die Urauf­füh­rung geschah unter feind­li­chem Beschuss. Das Thea­ter war trotz­dem gefüllt.

Die Sin­fo­nie ver­herr­li­che Wahr­heit und das Licht, das immer die Mäch­te der Fins­ter­nis besiegt, sag­te Wla­di­mir Putin in einer Video­an­spra­che an die Teil­neh­mer eines Kon­zerts auf der Was­sil­jew­ski-Insel in St. Peters­burg anläss­lich des 80. Jah­res­tags der Urauf­füh­rung der Kom­po­si­ti­on zur Blockade.

Tödlicher Winter

12. Okto­ber 1941 - die Rati­on sank für die nächs­ten 10 Tage auf 200 Gramm Brot täg­lich sowie 50 Gramm Zucker, 100 Gramm Flan­zen­öl, 3 Packen Streich­höl­zer, 100 Gramm Fleisch, 200 Gramm Grau­pen (Zeit­zeu­gen­be­richt). Die Arbei­ter in den unter Beschuss ste­hen­den Wer­ken kürz­ten ihre Ratio­nen zuguns­ten der Sol­da­ten an der Front.

Ab Okto­ber begann das Mas­sen­ster­ben durch Ver­hun­gern - das stil­le Ster­ben wur­de Nor­ma­li­tät. In der Stadt gab es bald kei­ne Kat­zen oder Hun­de mehr. Die Men­schen über­leg­ten nur noch, wie sie ihre Ange­hö­ri­gen am Leben erhal­ten konn­ten. Allein im ers­ten Blo­cka­de­win­ter 1941-1942 star­ben eine Vier­tel­mil­li­on Leningrader.

Im die­sem töd­li­chen Win­ter wur­de pro Tag an die Lenin­gra­der nur noch eine Brot­ra­ti­on von 125 Gramm ver­teilt - Arbei­ter beka­men etwas mehr. Die bedeu­ten­de Rüs­tungs­in­dus­trie von Lenin­grad setz­te ihre Pro­duk­ti­on fort. Die Arbei­ter lie­fer­ten Pan­zer, Geschüt­ze und Muni­ti­on für die Ver­tei­di­ger ihrer Stadt direkt an die Front, u.a. bis zum Ende der Blo­cka­de den legen­dä­ren T-34-Kampfpanzer.

Die Grö­ße und Furcht­bar­keit die­ser Bela­ge­rung erken­nen in die­ser Zeit selbst Wehr­machts­an­ge­hö­ri­ge beim abend­li­chen Blick auf den gerö­te­ten Lenin­gra­der Him­mel. Sie sind Teil des Ver­nich­tungs­werks, Mitt­läu­fer, wil­len­lo­se Mittäter.

Tod in der Festung

Ver­su­che, die Bela­ge­rung zu bre­chen, waren erfolg­los. Zum Som­mer 1942 ver­stär­ke die Wehr­macht den Beschuss und die Bom­bar­die­rung der Stadt. Rund um Lenin­grad sorg­ten Artil­le­rie-Bat­te­rien für den Beschuss. Schwers­te, bahn­ba­sier­te Weit­stre­cken­ge­schüt­ze ver­rich­te­ten über bis zu 28 km ihr Werk mit Geschos­sen bis zu 900 kg.

In die­ser Zeit ver­wan­delt sich die Stadt in ein stark befes­tig­tes Gebiet. Es hieß, die Deut­schen könn­ten ver­su­chen, die Stadt zu neh­men. Tau­sen­de von Kilo­me­tern an Grä­ben und Inge­nieur­bau­wer­ke zur Ver­tei­di­gung wur­den geschaf­fen. Vie­le Men­schen haus­ten in Luft­schutz­kel­lern. Sie waren am Ver­zwei­feln und ande­rer­seits stark - sie woll­ten das Ende der Bela­ge­rung erle­ben. Doch die Blo­cka­de ging noch lan­ge Zeit weiter.

Hun­ger muss man erlebt haben. Die Men­schen in der Stadt erleb­ten es grau­en­haft über zwei­ein­halb Jah­re. Seu­chen setz­ten zusätz­lich den Men­schen zu. Kei­ne Lenin­gra­der Fami­lie, die nicht Opfer zu bekla­gen hat­te. Tote über­all auf den Stra­ßen. Es tra­ten Fäl­le von Kan­ni­ba­lis­mus, des Ver­zehrs des Flei­sches von Toten, auf. Wäh­rend der Blo­cka­de war es ver­bo­ten, Zah­len über Tote zu ver­öf­fent­li­chen - Hun­ger­tod ist kein Hel­den­tod.

Sär­ge und Sär­ge - Lei­chen und Lei­chen - sie präg­ten das Bild der Stadt. Fami­li­en tru­gen und zogen einen nach dem ande­ren zu den Lei­chen­sam­mel­stel­len. Die Stadt war im Win­ter­frost wie erstarrt.

Befreiung aus den Ruinen

Der ein­zi­ge Weg aus dem Ring führ­te im Win­ter über 30 Kilo­me­ter über den zuge­fro­re­nen Lado­ga­see. Auch im fol­gen­den Win­ter wur­de die «Stra­ße des Lebens» über den Lado­ga­see zur Ver­sor­gung auf­recht­erhal­ten. Lenin­gra­der soll­ten in Mas­sen über die­se Stra­ße eva­ku­iert wer­den. Der Weg lag unter stän­di­gem Beschuss der Deut­schen, so dass die Eva­ku­ie­run­gen im 1. Win­ter ein­ge­stellt wur­den. Bis Janu­ar 1942 konn­ten gera­de ein­mal 36.000 Men­schen eva­ku­iert wer­den. Vie­le Lenin­gra­der woll­ten ihre gelieb­te Stadt trotz aller Ent­beh­run­gen auch nicht verlassen.

Par­al­lel ver­lief auf dem lin­ken Ufer der Newa und des Lado­ga­sees ent­lang der Süd­küs­te eine Bahn­li­nie - nur 3 bis 4 Kilo­me­ter von den deut­schen Artil­le­rie-Stel­lun­gen ent­fernt. Sie erhielt den Spitz­na­men «Kor­ri­dor des Todes», spiel­te aber eine wich­ti­ge stra­te­gi­sche Rol­le bei der Ver­tei­di­gung von Lenin­grad, ein­schließ­lich der spä­te­ren Auf­he­bung der Blo­cka­de. Über die­se Lebens­stra­ßen wur­de wei­te­re Lenin­gra­der evakuiert.

Im Som­mer 1943 zog wie­der ansatz­wei­se so etwas wie ein zivi­li­sier­tes Leben ein. Die aus­ge­mer­gel­ten Men­schen kamen aus den Rui­nen und Luft­schutz­kel­lern. Sie konn­ten die Son­ne genie­ßen. Eini­ge ermu­tig­ten sich bzw. rich­te­ten sich beim Lesen deut­scher Klas­si­ker, mit Wer­ken von Goe­the und Schil­ler wie­der auf. Eine Ger­ma­nis­tik­pro­fes­so­rin in Lenin­grad rezi­tier­te die­se Dich­ter aus­wen­dig. Para­dox? Die Tra­gö­die “Faust” spen­de­te ihnen wie­der Kraft und Mut. Stra­ßen­bah­nen wur­den wie­der in Betrieb genom­men. Auf den Wie­sen Lenin­grads wur­de Gemü­se ange­baut. Trotz­dem - der Hun­ger blieb.

Am 14. Janu­ar 1944 began­nen Trup­pen der Lenin­gra­der, Wolchower und der 2. Bal­ti­schen Front eine stra­te­gi­sche Offen­si­ve. Lenin­grad wur­de in der Fol­ge voll­stän­dig ent­las­tet und die Blo­cka­de bis zum 27. Janu­ar 1944 durchbrochen.

Warum erinnern

Der → Gro­ße Vater­län­di­sche Krieg. Vie­le grau­en­vol­le, aber auch hel­den­haf­te Ereig­nis­se in die­sem Befrei­ungs­krieg, so auch die Blo­cka­de Lenin­grads, sind tief im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis Russ­lands und der Orte des Gesche­hens ein­ge­gra­ben bzw. verankert.

War­um soll­te wir Deut­sche uns an die­se Ver­gan­gen­heit erinnern?

Ver­ges­sen wir nicht - nach dem vom deut­schen Faschis­mus aus­ge­hen­den Krieg hat­te die Sowjet­uni­on über 27 Mil­lio­nen Tote zu bekla­gen. Allein in Bela­rus kam jeder drit­te Ein­woh­ner um’s Leben.

Und die Sie­ger bzw. Befrei­er Deutsch­lands vom Faschis­mus ver­zie­hen den Deut­schen im Lau­fe der Jah­re (!) - so unglaub­lich es klingt. Gera­de dar­in zeig­te sich die beson­de­re Grö­ße der sowje­ti­schen Men­schen und der rus­si­schen Seele.

Verzeihen

2023-03, Belarus, Chatyn
Bela­rus, Chatyn

Zu mei­nem Besuch als Frie­dens­bot­schaf­ter in → Bela­rus im März 2023 sag­te ein Freund und Ein­woh­ner von Bela­rus, dass damals ver­zie­hen wur­de, war gut so.

Wir tra­ten als Nach­kom­men der Täter den Nach­kom­men der Opfer Auge in Auge an den Stät­ten des Grau­ens gegen­über - und wur­den als Freun­de empfangen.

Und er sag­te auch:

Soll­ten aber jemals wie­der deut­sche Pan­zer und Sol­da­ten in Bela­rus oder auf rus­si­schem Ter­ri­to­ri­um einen neu­en Ver­such gegen den rus­si­schen Bären star­ten, kann und wird es kein Erbar­men mehr geben.

Begehrlichkeiten

Der deut­sche Faschis­mus begann mit dem → Über­fall auf die Sowjet­uni­on am 22. Juni 1941 mit bis dahin unge­ahn­ten Ver­bre­chen. Mas­sen­ver­nich­tung an der sla­wi­schen Bevöl­ke­rung wur­de zur Dok­trin erklärt. Letzt­lich war es aber ein Kampf um Res­sour­cen - um die rie­si­gen Roh­stoff­re­ser­ven der UdSSR und die land­wirt­schaft­li­chen und indus­tri­el­len Kapazitäten.

Die Begehr­lich­kei­ten nach den rie­si­gen Gebie­ten öst­lich und west­lich des Ural waren enorm. Hit­ler war nicht der Ers­te, der die­sen Begehr­lich­kei­ten folg­te. Vor ihm gab es in der Geschich­te schon wei­te­re Ver­su­che von Großmächten …

… so, wie auch heu­te wie­der sol­che Begehr­lich­kei­ten bei deut­schen und euro­päi­schen Revan­chis­ten und Mili­ta­ris­ten erneut keimen.

Geschichte

Bis 1990 hat es in der BRD kei­ne Form von offi­zi­el­ler Erin­ne­rung an die Lenin­gra­der Blo­cka­de gege­ben. Im Geschichts­un­ter­richt der DDR wur­de an das Ver­bre­chen erinnert.

Wir sehen, wie in die­sen Tagen die Ergeb­nis­se der Nürn­ber­ger Pro­zes­se, in denen der Natio­nal­so­zia­lis­mus eine ein­deu­ti­ge recht­li­che Bewer­tung erhal­ten hat, tat­säch­lich revi­diert wer­den. In man­chen Län­dern schrei­ben sie nicht nur die Geschich­te um und recht­fer­ti­gen die Hen­ker. Revan­chis­ten und Neo­na­zis über­neh­men die Ideo­lo­gie und Metho­den der Nazis. In den bal­ti­schen Staa­ten wer­den Zehn­tau­sen­de Men­schen zu ‘Unter­men­schen’ erklärt, ihnen wer­den die grund­le­gends­ten Rech­te ent­zo­gen und sie wer­den ver­folgt. Das Regime in Kiew ver­herr­licht Hit­lers Kom­pli­zen, die SS-Män­ner, und setzt Ter­ror gegen alle Uner­wünsch­ten ein. Der bar­ba­ri­sche Beschuss fried­li­cher Städ­te und Gemein­den und die Tötung alter Men­schen, Frau­en und Kin­der geht wei­ter. In einer Rei­he euro­päi­scher Län­der wird Rus­so­pho­bie als staat­li­che Poli­tik geför­dert” (Zitat Prä­si­dent Russ­lands zu den Gedenk­fei­ern am 27.01.2024 in Leningrad).

Das Heute

Ich selbst habe vor eini­gen Jah­ren größ­te Ten­den­zen des Faschis­mus im Balk­ti­kum gese­hen. Hor­den von Ver­eh­rern der faschis­ti­schen Kol­la­bo­ra­teu­re von damals zie­hen durch die Stra­ßen. Hass und Aus­gren­zung von Grup­pen und Natio­na­liä­ten gehö­ren dort wie­der zum All­tag - unter Tole­rie­rung der EU.

Wir alle sehen, wie heu­te Andenken an die Befrei­er vom Faschis­mus in Städ­ten Euro­pas besei­tigt wer­den, wie von den Obe­ren, ihren Laut­spre­chern und Leh­rern eine Kul­tur des Ver­ges­sens den Men­schen imple­men­tiert wird.

Und wir sehen Blo­cka­de in Wie­der­ho­lung - damals um Lenin­grad und heu­te um Gaza in Paläs­ti­na.

Doppelmoral

Wenn heu­te deut­sche Offi­zi­el­le der vor allem jüdi­schen Opfer im KZ Ausch­witz geden­ken, ver­wen­den sie dann auch den glei­chen Maß­stab bei der Bewer­tung des Geno­zid an der Bevöl­ke­rung von Leningrad?

Sind die Opfer von Lenin­grad vergessen?

2023-10-06, Berlin Treptow, Sowjetisches Ehrenmal
Im Geden­ken - der Autor am sowje­ti­schen Ehren­mal Ber­lin Treptow

Wie steht es um das Geschichts­be­wusst­sein der Men­schen hier­zu­lan­de zur dama­li­gen Blo­cka­de? Haben die Köp­fe der → Poli­ti­schen Klas­se Deutsch­lands aus der Geschich­te um die Bela­ge­rung von Lenin­gad gelernt? Haben sie dar­aus gelernt im Ange­sicht ihrer Unter­stüt­zung des Geno­zid von Ukra-Faschis­ten seit 2014 im Don­bass - oder der Blo­cka­de und des Geno­zid durch Isra­el in Gaza (wofür sich Isra­el gera­de in einem Straf­pro­zess vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hofs in Den Haag erklä­ren muss)?

Wenn sie heu­te erklä­ren “#WeR­em­ber”, klingt das wie Hohn? Ist es nicht Hohn im Ange­sicht ihrer Dop­pel­mo­ral, ihrer Ver­gess­lich­keit zu ande­ren Geno­zid damals und heu­te sowie ihrer de-fac­to zuneh­men­den aso­zia­len, krie­ge­ri­schen, revan­chis­ti­schen, anti­de­mo­kra­ti­schen und dem Grund­ge­setz wid­ri­gen Herr­schaft? Wie kann man ihre ver­meint­li­che Erin­ne­rung noch ernst nehmen?

Die Lebenden

Mitt­ler­wei­le (Stand Janu­ar 2024) sind es weni­ger als sech­zig­tau­send Über­le­ben­de der Blo­cka­de von Lenin­grad. Es sind Men­schen ver­schie­dens­ter Natio­na­li­tä­ten, die die Greu­el der bela­ger­ten Stadt über­leb­ten. Jüdi­sche Über­le­ben­de wur­den von Deutsch­land Ent­schä­di­gung zuge­sagt. Die deut­sche Regie­rung wei­gert sich aber, Ent­schä­di­gun­gen auf alle heu­te noch leben­den Blo­cka­de­op­fer ohne Anse­hen ihrer eth­ni­schen Zuge­hö­rig­keit aus­zu­wei­ten. Der deut­sche Ras­sis­mus von damals fin­det nicht nur daher sei­ne Fortsetzung.

Wann wur­den jemals Men­schen­rech­te von BRD-Obe­ren für alle Men­schen glei­cher­ma­ßen angewendet?

2023-10-06, Berlin Treptow, Sowjetisches Ehrenmal
Ber­lin Trep­tow, Ehrenmal

Eine am 26. Janu­ar 2024 von der Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes – Bund der Anti­fa­schis­ten (VVN-BdA) ver­öf­fent­lich­te Erklä­rung (sie­he Erklä­rung des Bun­des­spre­chers der VVN-BdA), ver­weist auf die dop­pel­te Bedeu­tung des 27. Janu­ar, dem Tag der Befrei­ung von Lenin­grad und Ausch­witz. Der VVN-BdA beklagt in der Erklä­rung den skan­da­lö­sen Umgang der Bun­des­re­gie­rung mit den Über­le­ben­den des deut­schen Erobe­rungs- und Ver­nich­tungs­krie­ges gegen die Sowjetunion.

Ganz beson­ders ist der unglei­che Umgang der deut­schen Obe­ren mit den bei­den Ereig­nis­sen des 27. Janu­ar, aber auch Geno­zid-Ereig­nis­sen der Gegen­wart zu beklagen.

Gedenken und Handeln

Erin­ne­rung an die Geno­zid von damals und heu­te! … in einer neu­en Bewe­gung der Auf­klä­rung! Auf­klä­rungs­zeit - TEILEN!

Nie ver­ges­sen - nie wie­der - weh­ret den Anfän­gen ernst­haft(!) … nicht nur in lee­ren Wor­ten zum Selbst­be­trug oder Betrug von Anderen. 

Die Leben­den und die Toten - geseg­ne­tes Geden­ken … dass sich das für unmög­lich Gehal­te­ne nicht wiederholt. 

Ehre den sowje­ti­schen Sol­da­ten, die Lenin­grad und Ausch­witz befrei­ten sowie den Faschis­mus nie­der­ge­schla­gen haben … die auch in aus­schlag­ge­ben­dem Maße Deutsch­land befreit hatten! 

Wolf­gang Kiessling (ali­as Woling > www.port-woling.de,
ali­as Wol­le Ing > www.wolle-ing.de)

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Was uns bleibt

Das The­ma Erin­ne­rung und Auf­klä­rung bleibt ein am Anfang ste­hen­des Erfor­der­nis - leicht gesagt und schwer getan. Es erfor­dert viel Mut, vie­le Ideen, Mit­wir­ken­de, Platt­for­men und eine zuneh­men­de sowie enge Ver­net­zung. Port Woling betreibt wei­ter Auf­klä­rung u.a. zu den …

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