1942-09-11 @ Dremlevo in Belarus

Geschichte Port Woling - Am 11. September 1942 geschah das Unfassbare in einem kleinen Dorf in Belarus. Der Ort wurde samt Menschen grausam ausradiert. Eine deutsche Friedensdelegation hat sich dieser Geschichte gewidmet und den Ort erstmalig besucht.


Gedenken in Belarus in Dremlevo

Außenpolitische Mission
2023-03, Bela­rus

Ich - ein → Frie­dens­sol­dat für immer - berich­te hier von mei­ner Rei­se mit Freun­den und Frie­dens­freun­den sowie ihrer wun­der­ba­ren gemein­sa­men Erfah­rung im März 2023 in Bela­rus. Eine Grup­pe von etwa 50 Deut­schen sowie Unter­stüt­zern aus Luxem­burg, Öster­reich und der Schweiz war im März 2023 in Bela­rus unter­wegs als Bot­schaf­ter auf einer Frie­dens­mis­si­on. Die Freun­de han­del­ten als Frie­dens­bot­schaf­ter auf außen­po­li­ti­scher Mis­si­on. Sie han­del­ten in einer nicht tri­via­len Ange­le­gen­heit unter den Augen der Regie­rung, Öffent­lich­keit und den Medi­en von Belarus.

Eine gro­ße Foto­ga­le­rie zu Drem­le­vo befin­det sich am Ende die­ses Bei­trags (inkl. ergän­zen­der Vide­os zum Geschehen).

Zu unse­rer Bela­rus-Mis­si­on habe ich aus­führ­li­che­re Infor­ma­tio­nen, bzw. einen Gesamt­be­richt ver­öf­fent­licht unter mei­nem Bei­trag → »Frie­dens­mis­si­on in Bela­rus«.

Gedenken in Dremlevo
Screen­shot aus TV-Bericht - Wolf­gang Kiessling (ali­as, Wol­le Ing, ali­as Woling)

Lie­be Frie­dens­freun­de, ich sit­ze am Ufer und bin immer noch erschüttert - …

… erschüt­tert über den → Ter­ror und die Unta­ten Deut­scher in Bela­rus vor über acht Jahr­zehn­ten - obwohl für mich die Infor­ma­tio­nen zu einem Besuch in dem Land im März 2023 nicht ganz neu waren. Im Jahr 1987 war ich schon in Uni­form eines Offi­ziers der ein­zi­gen deut­schen Frie­dens­ar­mee in der weiß­rus­si­schen Repu­blik der Sowjet­uni­on sowie in Mos­kau beruf­lich unterwegs.

An die­ser Stel­le berich­te ich zuerst über Drem­le­vo - ein klei­nes Dorf unweit von Brest in Bela­rus, das von den Inva­so­ren voll­stän­dig ver­nich­tet wur­de. “Lauft in mei­nem Hafen Port Woling ein”, um mehr zu erfah­ren über Drem­le­vo und unse­re Frie­dens­mis­si­on als Frie­dens­bot­schaf­ter an dem Ort.

Drem­le­vo war die ers­te Sta­ti­on unse­rer Frie­dens­mis­si­on in Bela­rus. Wir waren dort am 21.03.23 zu einer Gedenk­ver­an­stal­tung. Der Him­mel wein­te, ob der schreck­li­chen Ver­gan­gen­heit an die­sem Ort.

Wir waren die aller­ers­te deut­sche Dele­ga­ti­on seit dem 2. Welt­krieg, die sich die­sem Ort des Schre­ckens unter den Augen der Öffent­lich­keit von Bela­rus und sei­ner Regie­rung stellte.

Die deut­schen Frie­dens­freun­de und -bot­schaf­ter waren in Drem­le­wo - an die­sem Tag des Geden­kens. Deut­sche, kriegs­trei­ben­de Regie­rungs­ver­tre­ter sowie Ver­tre­ter deut­scher Leit­me­di­en waren zu die­sem Ereig­nis nicht vertreten.

Es war für mich per­sön­lich das Bewe­gends­te, was ich je erleb­te. Ich woll­te an die­sem Tag an kei­nem ande­ren Ort der Welt sein. Wir Deut­sche waren an die­sem Platz eines furcht­bars­ten Ver­bre­chens und der Erin­ne­rung. Wir tra­ten dort auf vor den Augen der ver­sam­mel­ten regio­na­len Bevöl­ke­rung und von Offi­zi­el­len der Regi­on sowie des Belarus-TV.

Owe Schatt­au­er sag­te: “Die Enkel der Täter stan­den den Enkeln der Opfer gegen­über. Aber, es ist not­wen­dig - immer die Wahr­heit von bei­den Sei­ten auf den Tisch -, um im Frie­den ver­ste­hen und mit­ein­an­der mensch­lich und zivi­li­siert umge­hen zu können.”

Dremlevo - das Ereignis

Im Zuge der Öff­nung rus­si­scher Archi­ve und der Nach­for­schun­gen von Ver­wand­ten und Hin­ter­blie­be­nen wur­de erst nach und nach der gesam­te Umfang des Grau­ens der Ver­nich­tung durch den deut­schen → Faschis­mus und sei­ne Kol­la­bo­ra­teu­re deut­lich. Vie­le Tau­sen­de bela­rus­si­sche Sied­lun­gen wur­den durch die deut­sche Wehr­macht und spe­zi­el­le Ein­hei­ten der deut­schen Sicher­heits­po­li­zei sowie ukrai­ni­sche Ban­de­re-Ban­den zer­stört. Etwa 5000 Sied­lun­gen wur­den mit der gesam­ten oder einem Teil der Bevöl­ke­rung durch faschis­ti­sche Schur­ken­hand ver­nich­tet. Neu­es­te Unter­su­chun­gen (nach der Öff­nung rus­si­scher Archi­ve) deu­ten auf über 10.900 zer­stör­ter Orte aus(!). 628 Ort­schaf­ten erfuh­ren annä­hernd eine völ­li­ge Ver­nich­tung ein­schließ­lich der gesam­ten Bevöl­ke­rung. 186 Dör­fer konn­ten nicht mehr auf­ge­baut wer­den. His­to­ri­ker aus Russ­land und Bela­rus sowie die weiß­rus­si­sche Staats­an­walt­schaft erfass­ten über Jahr­zehn­te die­se Informationen.

Jeder 3. Ein­woh­ner von Bela­rus kam durch den deut­schen Ver­nich­tungs­feld­zug nach dem → Über­fall auf die Sowjet­uni­on am 22. Juni 1941 um’s Leben.

Die Geschich­te um Drem­le­vo ist im Wes­ten gänz­lich unbe­kannt. Drem­le­vo ist eine Ort­schaf­ten in Weiß­russ­land, die wäh­rend der „Ope­ra­ti­on Drei­eck“ der Wehr­macht dem Erd­bo­den gleich gemacht wur­den. Die Ope­ra­ti­on “Drei­eck” dau­er­te 17 Tage, in denen 6 Dör­fer von den “Bestraf­ern” einer Par­ti­sa­nen­ak­ti­on nie­der­ge­brannt wur­den. Poli­zei­kräf­te aus Nazi­deutsch­land rich­te­ten unter den Bewoh­nern unglaub­li­che Mas­sa­ker an. Die Ein­woh­ner von Drem­le­vo - über­wie­gend Alte, Frau­en und Kin­der - wur­den am 11. Sep­tem­ber 1942 sys­te­ma­tisch und bes­tia­lisch ermordet.

Am Mor­gen des 11. Sep­tem­ber 1942 ver­sam­mel­ten sich die Bewoh­ner des Dor­fes, um den Tag Johan­nes des Täu­fers zu fei­ern. Plötz­lich stür­men die “Bestrafer” des 201. Batail­lons der Sicher­heits­po­li­zei (Schutz­mann­schaft) das Dorf. Mit Maschi­nen­ge­weh­ren bewaff­net, trie­ben die Faschis­ten die Men­schen aus ihren Häu­sern auf die Stra­ße. Wer Wider­stand leis­te­te und bete­te, wur­de auf der Stel­le erschos­sen. Die Über­le­ben­den wur­den in zwei Schup­pen getrie­ben, die spä­ter in Brand gesteckt wur­den. His­to­ri­kern zufol­ge wur­den an die­sem schick­sal­haf­ten Tag 43 Haus­hal­te ver­nich­tet. 196 der 200 Ein­woh­ner wur­den bei leben­di­gem Lei­be ver­brannt und das kom­plet­te Dorf dem Erd­bo­den gleichgemacht.

Die Mör­der rich­te­ten unter den Bewoh­nern ein unglaub­li­ches Mas­sa­ker an. Die Ein­woh­ner wur­den sys­te­ma­tisch und bes­tia­lisch getö­tet. Die­se Tat soll­te der Par­ti­sa­nen­be­kämp­fung durch Abschre­ckung dienen.

2023-03, Bela­rus
Aufarbeitung

Im Jahr 1967 wur­de an der Stel­le einer der abge­brann­ten Scheu­nen ein Hügel errich­tet. 1982 wur­de auf Initia­ti­ve der Füh­rung der Kol­cho­se Vos­khod ein Denk­mal errich­tet, in des­sen Mit­te am Fuße des Hügels auf Fels­bro­cken sit­zen­de Bron­ze­skulp­tu­ren von drei trau­ern­den Frau­en ste­hen. Die Figu­ren sym­bo­li­sie­ren drei Gene­ra­tio­nen - Müt­ter, Töch­ter und Enke­lin­nen. Ein Stück Land vom Ort der Tra­gö­die wur­de in der Gedenk­stät­te Cha­tyn in Erin­ne­rung an alle bela­rus­si­schen Dör­fer begra­ben, die wäh­rend des Krie­ges nie­der­ge­brannt wur­den. Jedes Jahr, am Jah­res­tag der Tra­gö­die, fin­det in Drem­le­vo eine Trau­er­ver­samm­lung statt.

2023-03, Belarus, Dremlevo
Drem­le­vo - Screen­shot des TV-Bericht

Das Gesche­hen um das klei­ne weiß­rus­si­sche Dorf Drem­le­vo (es exis­tie­ren ver­schie­de­ne Schreib­wei­sen auf­grund unein­deu­ti­ger Tran­skrip­ti­on) bei Brest konn­te wie so vie­le Stät­ten in Bela­rus erst rela­tiv spät auf­ge­ar­bei­tet wer­den. Der Frie­dens­ak­ti­vist Oli­ver Schnee­mann hat­te über das dama­li­ge Ver­bre­chen in Drem­le­vo in mühe­vol­ler Klein­ar­beit einen Arti­kel von einem rus­si­schen His­to­ri­ker ins Deut­sche über­setzt und für die Wiki­pe­dia ange­passt. Das Unfass­ba­re geschah - nach­dem er im Som­mer ver­gan­ge­nen Jah­res die­sen Arti­kel fer­tig ein­ge­stellt hat­te. Der Wiki­pe­dia-Arti­kel wur­de in kur­zer Zeit gelöscht und ein Neu­ein­stel­len ver­hin­dert (durch den Wiki­pe­dia-Benut­zer und Admi­nis­tra­tor “He3nry”).

Zur Wiki­pe­dia, die den Bericht lösch­te, ist zu sagen - sie wird in der Gegen­wart (Anfang Drei­ßi­ger des 21. Jahr­hun­dert) mas­siv als Pro­pa­gan­da­in­stru­ment miss­braucht. Mit ihr und den Leit­me­di­en wird dem all­ge­mei­nen Trend der Offi­zi­el­len in Deutsch­land und der EU fol­gend mas­si­ve Geschichts­um­schrei­bung, -ver­fäl­schung und Ver­harm­lo­sung dun­kels­ter Zei­ten betrie­ben - ein Aspekt, über den ich unter [Port Woling] noch tief­grün­di­ger berich­ten wer­de. Bei­trä­ge beson­ders im Bereich Zeit­ge­sche­hen, Gesell­schafts­wis­sen­schaf­ten und Geo­po­li­tik wer­den mani­pu­liert. Die Wiki­pe­dia ver­tritt die Ansicht der deut­schen → Poli­ti­schen Klas­se, Regie­ren­den im Wes­ten, NATO oder US-Admi­nis­tra­ti­on, wenn es denn die­sen Grup­pen dien­lich ist. Per­so­nen mit unlieb­sa­men Aus­sa­gen wer­den mit Signal­wör­tern wie ‘Reichs­bür­ger’, ‘Rech­ter’, ‘Anti­se­mit’ oder ‘Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker“’ pau­schal abge­stem­pelt und ver­leum­det. Beson­de­re Per­so­nen, wie Frie­dens­ak­ti­vis­ten, inves­ti­ga­tiv täti­ge Jour­na­lis­ten abseits des Main­stream, die nicht dem staat­lich ver­ord­ne­ten Nar­ra­tiv fol­gen, wer­den dis­kre­di­tiert und diffamiert.

Fazit
2023-03, Belarus, Dremlevo
2023-03, Bela­rus, Dremlevo

Wir haben es gewagt, wäh­rend deut­sche Offi­zi­el­le ver­sag­ten und dem Ort bis­her fern blie­ben. Wir haben den Men­schen von Drem­le­vo ein ande­res Deutsch­land gezeigt. Vor der Ruhe­stät­te der Opfer haben wir uns tief sowie unter Trä­nen ver­neigt. Die weiß­rus­si­sche See­le emp­fing uns in Freund­schaft. Ja - die Teil­neh­mer der Bela­rus-Mis­si­on sind Anti­fa­schis­ten mit einer Wahr­haf­tig­keit, die grö­ßer nicht sein kann. Sie leben Anti­fa­schis­mus an die­sem Ort.

Unse­re Rei­se wur­de in Bela­rus sehr genau wahr­ge­nom­men! Die weiß­rus­si­schen Medi­en berich­te­ten wohl­wol­lend über die deut­sche Delegation.

Euer FRIEDENSSOLDAT FÜR IMMER

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Wolf­gang Kiessling (ali­as Woling > www.port-woling.de, ali­as Wol­le Ing > www.wolle-ing.de)

Quellen zu den geschilderten Verbrechen
  • Anna-News.info
  • Wiki­hau­sen
  • Orts­an­säs­si­ger His­to­ri­ker: Анатоль Бензеярук (Ana­tol Benzyaruk)
  • Poli­zei-Batail­lon 310 (zuvor Pol.–Ausbildungs-Batl. Ora­ni­en­burg; ab 1. Aug. 1942 III./SS-Pol.-Rgt. 15). – Kriegs­ta­ge­buch Nr. 1 für die Zeit vom 1. Okt. 1940 bis 24. Nov. 1942 über den Ein­satz im Gene­ral­gou­ver­ne­ment und in Russ­land, mit Anla­gen, nach: Документы обвиняют: Сб.док. О чудовищных преступлениях немецко-фашистских захватчиков на советских территориях. Вып. ІІ. – М. : ОГИЗ, Госполитиздат, 1945. – С.7-38.

Video - Belta-TV zu Dremlevo (russisch, auf Deutsch synchronisiert)

Wie konn­te ein gelösch­ter Arti­kel auf Wiki­pe­dia zu einer gro­ßen Bela­rus-Rei­se von 50 Frie­dens­men­schen aus Deutsch­land, Öster­reich, der Schweiz füh­ren? War­um waren sie am 80. Jah­res­tag des Geden­kens an die Opfer der Tra­gö­die von Cha­tyn gekom­men? Wie haben sie die Teil­neh­me an Gedenk­ver­an­stal­tung in Dreml­jo­wo erlebt? Was wol­len die ein­fa­chen Deut­schen? Was ist Volks­di­plo­ma­tie? Wor­an ist die deut­sche Regie­rung erkrankt?

  • Mono­lo­ge von Owe Schatt­au­er, Oli­ver Schnee­mann und Dirk Pohl­mann im Bel­TA-Pro­jekt „The­ma im Gespräch“
  • Owe Schatt­au­er (Unter­neh­mer, Musi­ker, Blog­ger, Frie­dens­ak­ti­vist, Druschba-Friedensfahrten)
  • Oli­ver Schnee­mann (Poli­ti­ker, Mit­be­grün­der des inter­na­tio­na­len Ver­eins Pro­spekt Mira)
  • Dirk Pohl­mann (Buch­au­tor, Jour­na­list, Regis­seur, Publi­zist, Historiker).
Video - TRIALOG Belarus mon amour

Zu Gast : Jen­ny Fried­heim und Chris Much (Frie­den­s­pan­zer Lie­fer­dienst). Chris ist im März mit einer Grup­pe Akti­vis­ten nach Weiß­russ­land gereist. Fried­hof der Dör­fer - Was ist in Cha­tyn, Drem­le­vo und ande­ren Orten in Bela­rus pas­siert? Chris lie­fert aus ers­ter Hand von den Orten des Gesche­hens neu­es­te Infor­ma­tio­nen zu den Verbrechen.

Video - 1. Belarus-TV in Dremlevo (russisch)

Weitere Einzelberichte zu Stätten, die wir in Belarus besuchten

Foto-Galerie - Dremlevo

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