2016-06 @ Falsche Statistiken

Zeitzeichen Port Woling – Manipulationen am gesellschaftlichen Kontext und Frieden. Es geschieht nicht aus Unfähigkeit, sondern aus Macht- und Parteikalkül und eben nicht der Demokratie verpflichtet


Falsche Statistiken – Vorsatz oder Matheschwäche

“Fal­sche Zah­len einer Attest-Sta­tis­tik” – sol­che oder ähn­li­che Schlag­zei­len berich­ten aktu­ell ent­we­der über eine Mathe­schwä­che oder aber einen Vor­satz eines füh­ren­den deut­schen Politikers.

Der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­zière – u.a. obers­ter Chef aller deut­schen Poli­zis­ten und dem Volke ver­pflich­tet – Was für eine ver­ant­wor­tungs­volle Auf­gabe – was für aus­ge­suchte Zeit­stem­pel im Folgenden.

Eins gleich zu Beginn. Bri­sante poli­ti­sche Affä­ren und die Demo­kra­tie erschüt­ternde Fak­ten hier­zu­lande in den ver­gan­ge­nen Jah­ren – ein deut­scher Poli­ti­ker hatte es zumeist geschafft, irgend­wie invol­viert zu sein – Tho­mas de Mai­zière. Er ist heute noch im Amt, wäh­rend Andere acht­kan­tig raus­ge­flo­gen wären.

August 2009: Der CDU-Bun­des­po­li­ti­ker Tho­mas de Mai­zière for­dert stren­gere „Ver­hal­tens­re­geln” für das Inter­net. Er erklärte gegen­über der Rhei­ni­schen Post, dass Men­schen vor Ent­wür­di­gung im Inter­net zu schüt­zen sind. Im April 2010 erklärte de Mai­zière, in der digi­ta­len Welt dürfe es keine Tabu­zo­nen geben.

Nach Beginn der die Welt erschüt­tern­den NSA-Affäre posi­tio­niert sich der heute als Innen­mi­nis­ter auch oberste Dienst­herr der Infor­ma­ti­ons­tech­nik und -sicher­heit nicht im erfor­der­li­chen Maße. Gegen eine nach natio­na­lem Recht rechts­wid­rige und gleich­zei­tig völ­ker­rechts­wid­rige mas­sen­hafte Über­wa­chung auch deut­scher Bür­ger durch die Five­Eyes der UKUSA-Ver­ein­ba­rung fand er bis heute keine Antwort.

17.12.2013: Die Amts­zeit des deut­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ters Tho­mas de Mai­zière endet, nach­dem er sein Minis­te­rium nach Lage der Dinge nicht im Griff hatte. Im Raum ste­hen z. B. Droh­nen­af­färe, Kos­ten­ex­plo­sio­nen, zu ver­ant­wor­tende immense Schä­den für den Steu­er­zah­ler, wenig Aner­ken­nung unter den Mili­tärs und des­or­ga­ni­sierte Minis­te­ri­al­bü­ro­kra­tie. Vor allem aber war es feh­lende Glaub­wür­dig­keit des Res­sort­chefs u. a. nach wider­sprüch­li­chen Aus­sa­gen im Untersuchungsausschuss.

Nach sei­ner Abbe­ru­fung wurde er im Kabi­nett Mer­kel III – “zur Beloh­nung und in Aner­ken­nung sei­ner Leis­tung am Deut­schen Volk” (?) – zeit­gleich zum Bun­des­in­nen­mi­nis­ter ernannt.

08.10.2015 (Quelle: Das Erste, 08.10.2015, Recher­chen und Bei­trag Robert Bon­gen & Ste­fan Buchen): Der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter behaup­tet, “30 Pro­zent der Asyl­su­chen­den gäben sich als Syrer aus, seien in Wahr­heit aber gar keine” . Im Nach­gang beruft er sich auf Quel­len aus Schät­zun­gen der Bun­des­po­li­zei. Es kommt aber her­aus, dass weder bei der Bun­des­po­li­zei noch im Bun­des­mi­nis­te­rium des Innern Sta­tis­ti­ken geführt wur­den, wie viele Men­schen in Deutsch­land fälsch­li­cher­weise behaup­ten, syri­sche Staats­bür­ger zu sein.

Die Pra­xis in Flücht­lings­hei­men und der BAMF bestä­tigt, dass nur in Ein­zel­fäl­len fal­sche Anga­ben erteilt wur­den, aber nicht durch die große Masse der Flücht­linge. Mit Hilfe ver­ei­dig­ter Dol­met­scher fin­det eine Sprach- und Text­ana­lyse statt. Dabei fällt ein Asyl­be­wer­ber, der zwar Ara­bisch, aber einen ande­ren Dia­lekt als den Syri­schen spricht, unwei­ger­lich auf.

18.11.2015: Das geplante Fuß­bal­län­der­spiel der deut­schen Natio­nal­mann­schaft in Han­no­ver wurde kurz­fris­tig abge­sagt. Der Innen­mi­nis­ter wirkt in allen Inter­views wenig ent­schlos­sen, ja sogar zöger­lich und unsi­cher. Aber nicht nur das – er ver­un­si­chert auch selbst. Ist es seine Funk­tion, der glü­hen­den Phan­ta­sie noch Zun­der zu geben?

Mit Fak­ten kann oder will er nicht auf­fah­ren. Das eigent­lich Schlimme für die Men­schen dabei: Er erklärt, er könne die Fra­gen nicht beant­wor­ten, um die Bevöl­ke­rung nicht zu ver­un­si­chern. Ande­rer­seits baut er – wie ein Geschich­ten­er­zäh­ler – Span­nung bis zum Zer­rei­ßen auf.

22.04.2016 (Quelle: Spie­gel Inter­view, 22.04.2016): Der CDU-Poli­ti­ker & als Berufs­po­li­ti­ker ein Die­ner sei­ner För­de­rer Tho­mas de Mai­zière kri­ti­siert die Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu den Ter­ror­ge­set­zen der Bun­des­re­gie­rung. Er stellte fest, dass es nicht Auf­gabe des Gerichts sei, dem Gesetz­ge­ber in Sachen Sicher­heit in den Arm zu fal­len. Sehen wir vom Sach­ver­halt “Ter­ror­ge­setze” ab und kon­zen­trie­ren wir uns dar­auf, wie de Mai­zière fak­tisch die Tätig­keit des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in Frage stellt.

Er zieht fak­tisch in Zwei­fel die ver­fas­sungs­mä­ßige Auf­gabe, Pflicht und Schul­dig­keit die­ses Gerichts als Judi­ka­tive, die durch die Legis­la­tive erlas­se­nen Gesetze per­ma­nent auf Rechts-Com­pli­ance zu über­prü­fen. Es geht hier um einen Gegen­kon­troll­me­cha­nis­mus im Staat zur Siche­rung demo­kra­ti­scher Pro­ze­dere, den de Mai­zière in Frage stellt. Will er dem pol­ni­schen Bei­spiel fol­gen? Es wären ein wei­te­rer Schritt in einen unheil­vol­len Totalitarismus.

16.06.2016 (Quelle: RP Online Inter­view, 16.06.2016): In einem erneu­ten, kon­kre­ten Fall von “Zah­len­dre­hern” des Tho­mas de Mai­zière erklärt die­ser: “Es wer­den immer noch zu viele Atteste von Ärz­ten aus­ge­stellt, wo es keine ech­ten gesund­heit­li­chen Abschie­be­hin­der­nisse gibt.” Er betont, es könne nicht sein, dass 70 Pro­zent der Män­ner unter 40 Jah­ren vor einer Abschie­bung für krank und nicht trans­port­fä­hig erklärt wer­den. Woher nimmt de Mai­zière die 70 Pro­zent sei­ner Dia­gnose? Dar­auf gab es keine Antwort.

Die Schluss­fol­ge­rung kann nur sein – die hat er sich mal so aus­ge­dacht. Lie­fert er statt einem Lösungs­kon­zept wie­der­holt erdachte Zah­len? Der Ärz­te­prä­si­dent Frank Ulrich Mont­go­mery weist Kri­tik des Innen­mi­nis­ters zurück. Wie fal­sche Bil­der von Flücht­lin­gen ent­ste­hen? Dar­auf gibt es mit die­sem Vor­gang zum Teil ein Bei­spiel. Eins bleibt dabei aber unbe­rück­sich­tigt – ein Groß­teil der Flücht­linge hat tat­säch­lich u.a. fol­gen­rei­che, stark trau­ma­ti­sche Erleb­nisse erlit­ten, von kör­per­li­chen Kriegs­schä­den abgesehen.

16.06.2016 (Quelle: RP Online Inter­view, 16.06.2016): Tho­mas de Mai­zière will künf­tig nach einer “Schnell­be­sohlung” Hilfs­po­li­zis­ten als “Crash­kurs-Ord­nungs­hü­ter” ein­set­zen in “beson­ders belas­te­ten Vier­teln” . In die­sem Fall legt er sich – mal zur Abwechs­lung nicht auf eine Anzahl fest. Poli­zis­ten durch­lau­fen übli­cher­weise eine mehr­jäh­rige Aus­bil­dung, um u.a. Schutz­auf­ga­ben, poli­zei­li­che Tak­tik, Psy­cho­lo­gie, Waf­fen­kunde, Rechts­grund­la­gen, Kon­flikt­lö­sung zu ler­nen und heikle Situa­tio­nen zu beherrschen.

Er will die staat­li­che Gewalt­ho­heit in Tei­len abtre­ten. Eine Kapi­tu­la­tion? Ultra­na­tio­nale “Patrio­ten” und ras­sis­tisch ori­en­tierte Bür­ger­wehr­ler aktu­el­ler neu-rech­ter Schutz­staf­feln ste­hen schon in den Start­lö­chern, um die Jobs zu über­neh­men. Genannte absurde Idee äußerte schon Sach­sens Innen­mi­nis­ter Ulbig im August 2015. Poli­zis­ten, die es bes­ser wis­sen – u.a. die Poli­zei­ge­werk­schaft, zei­gen wenig Ver­ständ­nis. Das Gebot der Zeit – end­lich genü­gend gut aus­ge­bil­dete Poli­zis­ten sicher­zu­stel­len – auch in Anbe­tracht neuer For­men der Kri­mi­na­li­tät im Internetzeitalter.

Übri­gens, de Mai­zière hat “Vor­kämp­fer” . Bereits am 22. Februar 1933 ord­nete Herr­mann Göring – zwei­ter Mann im NS-Staat – den Auf­bau einer Hilfs­po­li­zei an. Diese rekru­tierte sich über­wie­gend aus Hit­lers Schutzstaffeln.

Die Frage lau­tet: “Erfin­det” der Innen­mi­nis­ter wie­der­holt Zah­len bzw. fik­tive Sta­tis­ti­ken zur Begrün­dung sei­ner Vor­ge­hens­wei­sen? ALLEIN für einen der­ar­ti­gen Tat­be­stand gehörte im Nor­mal­fall ein vom Volk gewähl­ter Berufs­po­li­ti­ker auf die Ankla­ge­bank zumin­dest aber des Jobs ent­ho­ben. Jeden­falls scheint ihm das Lob der natio­na­lis­ti­schen “Frauke-Petry-Frak­tion” schon sicher.

Mein sub­jek­ti­ver Ein­druck – “er sei mir an die­ser Stelle gestat­tet” – die­ser Poli­ti­ker wirkt “fremd­ge­steu­ert” – selbst in den Pau­sen sei­ner oft nichts­sa­gen­den Reden. Der Ein­druck ent­steht einem Betrach­ter unwei­ger­lich, der die­sen Volks­ver­tre­ter über län­gere Zeit im öffent­li­chen Auf­tre­ten beob­ach­tet. Da muss man kein Psy­cho­loge sein, um die­ses kom­mu­ni­ka­tive Signal zu empfangen.

Worum geht es dem Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­zière? Giert er nach Aner­ken­nung? Was ist sein Kal­kül mit sol­chen Aus­sa­gen und erdich­te­ten Zah­len? Geht es darum, bei den Wäh­lern ange­sichts wach­sen­der sozia­ler, gesell­schaft­li­cher und glo­ba­ler Pro­bleme in einer Zeit zuneh­mende Repres­sio­nen Stim­men­fang zu betrei­ben? Es wäre höchst ver­ant­wor­tungs­los, mani­pu­la­tiv und gefahr­vol­ler Vorsatz.

Die Rea­li­tät zeigt – Dem­ago­gen kal­ku­lie­ren die Emp­fäng­nis­wahr­schein­lich­keit für Lügen bei den Mas­sen nach einem abge­wan­del­ten Pareto-Prin­zip. Wenn 20% der Pau­scha­lie­run­gen oder wich­tigs­ten Fehl-Mel­dun­gen durch­kom­men, wer­den 80% der geplan­ten Wir­kun­gen erzielt. Das ist nicht nur eine gän­gige Masche Neu-Rech­ter aus “PegN­PAFD & Co.” .

Diese gesteu­erte Wahr­schein­lich­keits­ver­tei­lung bzw. diese Wir­kun­gen sind Mani­pu­la­tio­nen am gesell­schaft­li­chen Kon­text und Frie­den. Ja, natür­lich, die Gesell­schaft benö­tigt Sta­tis­ti­ken, Zah­len, Fak­ten, sicht­bare Ent­wick­lun­gen, Zusam­men­hänge – all das! NUR – die Gesell­schaft benö­tigt nicht Lügen aus Unfä­hig­keit, Par­tei­kal­kül und der Macht wegen, son­dern objek­tive, grund­le­gende Sich­ten und die Wahr­heit – immer dem Volke und der Demo­kra­tie verpflichtet.

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