2017-03 @ AfD in Berka

Zeitzeichen Port Woling - Bürgerdialog? Ein Bericht


AfD-“DEMO” am 14.03.2017 im Gasthof zur Post

Die AfD hatte geladen zum Bürgerdialog in Berka/Werra

Das The­ma der vor­geb­lich OFFENEN Ver­an­stal­tung war: “Aktu­el­le Kon­zep­te der AfD-Frak­ti­on im Thü­rin­ger Land­tag.” Sie nutz­ten zur Ankün­di­gung diver­se Medi­en, u.a. öffent­li­che Aus­hän­ge. Der Bür­ger­meis­ter im hes­si­schen Herin­gen zeig­te kla­re Kan­te und ließ die nicht geneh­mig­ten Aus­hän­ge entfernen.

Hier die objektiven Fakten (keine postfaktischen)

Die AfD redet selbst fern der Rea­li­tät von unge­bro­che­nem Inter­es­se. Das wah­re Bild - der Bür­ger­dia­log war kei­ner - eher eine Far­ce. Nahe­zu zwei Dut­zend Bür­ger - das ist etwa die Hälf­te aller Teil­neh­mer - wur­de nicht ein­ge­las­sen oder gleich vor Beginn wie­der des Saals ver­wie­sen. Ihnen wur­den damit Bür­ger­rech­te abge­spro­chen. Jeder der Aus­ge­schlos­se­nen trat in jeder Pha­se höf­lich, auf­merk­sam und nicht ange­trun­ken in Erschei­nung (ent­ge­gen schon lau­fen­den Unter­stel­lun­gen der AfD-Fraktion).

Statt­des­sen erleb­ten wir - unter den ers­ten Ein­ge­las­se­nen war ein Teil­neh­mer mit der Auf­schrift „HKN KRZ“ auf sei­nem Cap - in der neu-rech­ten Sze­ne einem übli­chen Syn­onym für das Haken­kreuz-Sym­bol. Die Bür­ger­wehr Ger­s­tun­gen war eben­falls zuge­gen. Sie wird bekann­ter­ma­ßen von einem ehe­ma­li­gen NPD-Funk­tio­när geführt.

Die AfD-Ver­samm­lungs­lei­tung bestand aus den MdL Jörg Hen­ke & Ste­fan Möl­ler sowie Klaus Stö­ber (AfD-Direkt­kan­di­dat im Bun­des­tags­wahl­kreis 190). Bir­git Noll war als Vor­sit­zen­de der AfD West­thü­rin­gen zugegen.

Als Saalschutz am Haupt­ein­gang des Gast­hofs fun­gier­te der Füh­rer der Ger­s­t­un­ger Bür­ger­wehr (Ex-NPD-Chef des Wart­burg­krei­ses), der in den ver­gan­ge­nen Jah­ren akti­ve Frem­den­feind­lich­keit demons­trier­te. Das glich einer Offen­ba­rung des ehe­ma­li­ge Eisen­acher NPD-Chefs vor aller Augen. Er sorg­te ganz per­sön­lich dafür, dass ein Ger­s­t­un­ger Gemein­de­rats­mit­glied nicht ein­ge­las­sen wur­de. Wei­ter­hin ver­sperr­te er mit beglei­ten­den per­sön­li­chen, öffent­li­chen Belei­di­gun­gen und Ver­leum­dun­gen einem älte­ren Untersuh­ler Bür­ger den Einlass.

Jeder, der nur danach aus­sah, nicht AfD-kon­form zu sein, kam nicht rein. Unter den Aus­ge­sperr­ten waren vie­le Jugend­li­che der Wer­ra-Regi­on, aber auch Bür­ger von Pro­jek­ten des Wart­burg­krei­ses zur Umset­zung des Bun­des­pro­gramm “Demo­kra­tie leben! Aktiv gegen Rechts­extre­mis­mus, Gewalt und Men­schen­feind­lich­keit”. Die Aus­ge­schlos­se­nen for­mier­ten sich letzt­lich zu Beginn der Ver­an­stal­tung fried­lich vor dem his­to­ri­schen “Gast­hof zur Post” zum stil­len Pro­test. Die Poli­zei war ein­satz­stark zur Siche­rung der Ver­an­stal­tung zur Stelle.

Drei der zuerst Aus­ge­sperr­ten gelang dann doch der Ein­lass noch kurz nach Ver­an­stal­tungs­be­ginn. Es waren ein Mit­glied vom “Bünd­nis gegen Rechts - Wer­ra­tal”, ein Mit­glied vom Bünd­nis “Bunt statt Braun - Bad Hers­feld Roten­burg” und ein jun­ger Bür­ger aus Herin­gen. Ihr ers­tes Anlie­gen war es, sich als Bür­ger am Bür­ger­dia­log ganz demo­kra­tisch zu beteiligen.

Den Bür­ge­rIn­nen der mit­tel­deut­schen Umge­bung um Ber­ka an der Wer­ra bot sich ein AfD-Auf­tritt der beson­de­ren Art. Die AfD Thü­rin­gens hat­te doch öffent­lich zum Bür­ger­dia­log gela­den. Letzt­lich sperr­te sie die gro­ße Mas­se der Besu­cher aus.

Das war kein Dia­log. Es war mehr ein AfD-Mono­log und eine blau-brau­ne PushUp-Veranstaltung.

Genau die­se Situa­ti­on schien sich letzt­lich auf die Atmo­sphä­re im Saal zu legen. Das Publi­kum war sehr zurück­hal­tend, geklatscht wur­de kaum. Die weni­gen Fra­gen kamen nur zöger­lich und gin­gen nicht ins Detail.

Zur Ver­an­stal­tung wur­den die Teil­neh­mer mit Aus­sa­gen vor voll­ende­te Tat­sa­chen gestellt. Deren Inhal­te wur­den zu kei­ner Zeit in veri­fi­zier­ter Form sicht­bar gemacht. Ein­zel­ne rei­ße­ri­sche Fak­ten hat­ten das Pri­mat, statt auf den Grund gehen­de Zusam­men­hän­ge. Der sich immer wie­der­ho­len­de und ent­schei­den­de Satz lau­te­te: “Ich will das jetzt nicht wei­ter aus­füh­ren - sie kön­nen nach­her noch Fra­gen stel­len.” Die Teil­neh­mer hin­ter­frag­ten aber nicht. Neue alter­na­ti­ve Schlag­wör­ter wie “Rus­sen­gas” oder alt­be­kann­te, wie “Wahl­be­trug” mach­ten die Runde.

Der ener­gie­po­li­ti­sche Spre­cher der Thü­rin­ger AfD-Frak­ti­on Ste­fan Möl­ler blies in Ener­gie­fra­gen ohne fach­li­che Kom­pe­tenz eben­falls in das Horn der Pau­scha­lie­rung. Zu den hor­ren­den Sub­ven­tio­nen für die kon­ven­tio­nel­le Ener­gie­er­zeu­gung mach­te er kei­ne Ausführungen.

Folgen aus der Veranstaltung

Der Anlass und das Ziel des vor­geb­li­chen Bür­ger­dia­logs war neu-rech­te Pro­pa­gan­da und Anwer­bung neu­er Hand­lan­ger im Wer­ra­tal. Pau­scha­lie­run­gen waren dazu da, gefühl­te Wahr­hei­ten zu erzeu­gen. Dia­log - also eine ech­te Dis­kus­si­on zwi­schen Bür­gern und Podi­um gab es nicht.

Offen­kun­dig wur­de zur AfD-Ver­an­stal­tung eine akti­ve Ver­bin­dung - u.a. in Per­son des Bür­ger­wehr-Füh­rers - zwi­schen NPD, AfD und der seit Juni 2015 frem­den­feind­lich agie­ren­den Bür­ger­wehr in Ger­s­tun­gen. Die­se Ver­bin­dun­gen sind eine wei­te­re Bestä­ti­gung bestehen­der akti­ver Ver­net­zung aller extre­mis­ti­schen und radi­ka­len Kräf­te der neu-rech­ten Sze­ne in West­thü­rin­gen. Diver­se Publi­ka­tio­nen und Unter­su­chun­gen in Thü­rin­gen ver­wei­sen dar­auf, u.a. auf Ver­bin­dun­gen zur soge­nann­ten “Iden­ti­tä­ren Bewe­gung” - sie­he u.a. Bei­trag von “Thü­rin­gen­Rechts­aus­sen” → „Hin­ter­grund: Ver­bin­dun­gen der AfD zur extre­men Rech­ten in Thü­rin­gen – 13 Bei­spie­le“. Sie­he auch unser Bei­trag → „Begrif­fe der Neu-Rech­te“.

Die AfD hat sich auch in Ber­ka in kei­ner Wei­se von den Ent­glei­sun­gen ihrer Rechts­au­ßen Björn Höcke, André Pog­gen­burg, Bea­trix von Storch und Ande­rer distan­ziert. Sie bewie­sen wie­der, dass sie kei­ne Pro­ble­me mit der akti­ven Neo­na­zi-Sze­ne haben. Eine gewis­se Zuge­hö­rig­keit zu die­ser Sze­ne ist ihnen nicht abzusprechen.

Spä­tes­tens seit den umfas­sen­den Äuße­run­gen des Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den der Thü­rin­ger AfD, Björn Höcke, wis­sen wir - die AfD ver­ach­tet alles, was nicht in ihr ultra­na­tio­na­lis­ti­sches Welt­bild passt. Sie rela­ti­vie­ren den Holo­caust, ver­kün­den ras­sis­ti­sche The­sen und ver­wen­den Pro­pa­gan­da­spra­che der Natio­nal­so­zia­lis­ten der 1930er Jah­re. Die AfD ist eine Par­tei, die unso­zi­al, reli­gi­ons­feind­lich, frau­en­feind­lich, sexis­tisch, ras­sis­tisch und ver­fas­sungs­feind­lich agiert.

Ergo - wer unsozial ist, ist asozial

Der brau­ne Mob sucht sich - der Mob ver­trägt sich.
NIEMAND braucht die AfD in der Werra-Region!
Die AfD ist der par­la­men­ta­ri­sche Arm der Nazis.
Die gro­ße Mehr­heit der Men­schen lehnt die Ver­kün­der alter und gefähr­li­cher Ideen des Natio­nal­so­zia­lis­mus ab.

Ein wei­te­res gemein­sa­mes und über­par­tei­li­ches Ein­ste­hen für Demo­kra­tie, Men­schen­rech­te und Tole­ranz - wie durch die Pro­tes­tie­ren­den in Ber­ka - ist unabdingbar!

Abschlie­ßend eine Fra­ge: War­um bot ein regio­na­ler Wirt aus Ber­ka über­haupt der AfD-Pro­pa­gan­da ein Podi­um? Ein Bei­spiel aus Köln zeigt, wie sich Gast­wir­te gegen AfD und die Neu-Rech­te weh­ren. Viel­leicht ist es ein nach­voll­zieh­ba­res Bei­spiel für die Wer­ra-Regi­on. Sie­he Bei­trag des “Köl­ner Stadt-Anzei­ger” → „Neu­auf­la­ge ‚Kein Kölsch für Nazis‘ Köl­ner Wir­te schlie­ßen sich gegen Rechts zusam­men“.x

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