Warum den Glauben suchen

Kolumne Port Woling - Könnte ein universeller Glaube möglich sein? Über eine Betrachtung des Glaubens zu Pfingsten in einem ZDF-Beitrag “Reise durch die Religionen” (ZDF Heute, 26.05.2016).


Reise mitten durch den Glauben

Der Bei­trag betrach­te­te etwas, was wenigs­tens seit dem 13. Jahr­hun­dert v.Chr. in Stein gemei­ßelt steht - was wohl irgend­wie Aus­gangs­punkt aller an einen Gott glau­ben­den (mono­the­is­ti­schen) Reli­gio­nen ist - was die Mensch­wer­dung in der Evo­lu­ti­on viel­leicht sogar erst auf geis­ti­ger Grund­la­ge mobilisierte.

Die Mode­ra­to­rin begab sich dazu in die ent­le­gens­ten Berg­re­gio­nen Georgiens.

Was gibt es uns - das Betrach­ten des Glaubens?

Wo liegt der Mehr­wert in einer Zeit, die von mate­ri­el­len Wer­ten, media­len Instru­men­ten, all­täg­li­cher Ver­blen­dung und leid­vol­len Krie­gen so stark geprägt ist?

Was für eine Wulst in der Welt der Kom­men­ta­to­rin in den auf­ge­zeig­ten “Split­ter­grup­pen” von Mos­lems, Chris­ten und Anders­den­ken­de! So erfolgt heu­te die Inter­pre­ta­ti­on des Koran durch Mus­li­me der ver­schie­dens­ten Strö­mun­gen - u. a. den Sun­ni­ten und den Schii­ten höchst unter­schied­lich. Die Tren­nung in die­se Lager begann bereits mit dem Streit über die Nach­fol­ge des isla­mi­schen Reli­gi­ons­stif­ters nach des­sen Tod im Jahr 632.

Auch die christ­li­che Bibel - “Hei­li­ge Schrift” genannt - wird heu­te in diver­sen christ­li­chen Strö­mun­gen unter­schied­lichst dar­ge­stellt - u.a. nach der Über­set­zung Mar­tin Luthers von 1534 in der revi­dier­ten Fas­sung von 1984 als Basis der Evan­ge­li­schen Kir­che, wie auch der Neu­apos­to­li­schen Kir­che. Ähn­li­ches voll­zog sich auch im Judentum.

Hier eine kur­ze Über­sicht für Deutsch­land über den Anteil der Mit­glie­der von Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten an der Gesamt­be­völ­ke­rung (in %, gerun­det) (Quel­le: Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­li­cher Medi­en- und Infor­ma­ti­ons­dienst - REMID, 2011):

  • Römisch-Katho­li­sche Kir­che » 30 %
  • Evan­ge­li­sche Lan­des­kir­chen » 29 %
  • Mus­li­misch gepräg­te Gemein­schaf­ten » 5 %
  • Grie­chisch-Ortho­do­xe Kir­che » 0,5 %
  • Neu­apos­to­li­sche Kir­che » 0,4 %
  • Rumä­nisch-Ortho­do­xe Kir­che » 0,4 %
  • Ser­bisch-ortho­do­xe Kir­che » 0,4 %
  • Bud­dhis­ten » 0,3 %
  • Juden » 0,2 %
  • Rus­sisch-Ortho­do­xe Kir­che » 0,2 %
  • Zeu­gen Jeho­vas » 0,2 %
  • Hin­dus » 0,1 %
  • Bap­tis­ten und Brü­der­ge­mein­den » 0,1 % wei­te­re 64 Kon­fes­sio­nen » gesamt ca. 1 % Kon­fes­si­ons­lo­se » 34 %

War­um die Fra­ge nach dem Glauben?

Jede Reli­gi­on erfor­dert viel­leicht Respekt nicht nur von den Anders­den­ken­den, son­dern zuerst von den Gläu­bi­gen selbst gegen­über ihrer eige­nen Reli­gi­on. Wer die­sen Respekt fun­da­men­tal lebt, wird mit inne­rem Frie­den leben. Der Bei­trag ver­deut­licht das.

Den Gläu­bi­gen gehört nicht eine Reli­gi­on - wie ein Besitz. Den Reli­gio­nen gehö­ren auch nicht die Gläu­bi­gen. Die Reli­gio­nen aber sind für die Gläu­bi­gen eine Richt­schnur, huma­nis­ti­sche Grund­wer­te zu leben und im Mensch­sein zu prak­ti­zie­ren. Wenn wir Glau­ben mit der Mensch­wer­dung ver­bin­den, gibt es viel­leicht eine Zukunft der Zivilisation.

Die Lust ist Anfang & Ende des glück­se­li­gen Lebens …”

… mein­te Epi­kur (Phi­lo­soph, geb. um 341 v. Chr. auf Samos; † 271 v. Chr.). Er ver­sinn­bild­lich­te damit einen Stand­punkt des Glau­bens an die mensch­li­che Gesell­schaft oder aber auch an die gesell­schaft­li­che Menschheit.

Von Din­gen abseits des mensch­li­chen Glau­bens berich­tet der Bei­trag wenig. Viel­leicht pass­te es nicht in das Kon­zept, ein posi­ti­ves Glau­ben und Den­ken im Bei­trag wider­zu­spie­geln. Es gibt aber auch - die­se Distanz zu den Religionen.

Im Hin­ter­grund von Reli­gio­nen sehen Men­schen auch ver­meint­li­che Wider­sprü­che und viel Ver­häng­nis­vol­les - u. a. nicht gerecht­fer­tig­te, miss­brauch­te Macht­fül­le von Wür­den­trä­gern, Über­grif­fe an Wehr­lo­sen, end­lo­se, nicht auf­ge­ar­bei­te­te Ver­ge­hen, aber auch den stra­te­gisch und wirt­schaft­lich moti­vier­ten Kreuz­zü­gen sei­tens des „christ­li­chen Abend­lan­des” und dem Völ­ker­mord an Arme­ni­ern, einem der ers­ten sys­te­ma­ti­schen Geno­zi­de des 20. Jahrhunderts.

Ich sehe im Hin­ter­grund von Reli­gio­nen nach mei­nem Stu­di­um und mei­ner Inter­pre­ta­ti­on DER Hei­li­gen Schrift(en) auch einen gewis­sen dok­tri­nä­ren, tota­li­tä­ren Cha­rak­ter der unter­schied­li­chen Schrif­ten auf­grund ihres unum­stöß­li­chen Allein­ver­tre­tungs­an­spruchs. Hier sehe ich bei den heu­ti­gen Reli­gi­ons­ver­tre­tern immensen Hand­lungs­be­darf zur Kon­flikt­ent­schär­fung und für prak­ti­sche, ver­söh­nen­de Maßnahmen.

Es gibt ihn aber - die­sen ein­fa­chen Glau­ben der Men­schen. Das ist viel­leicht das Ent­schei­den­de im täg­li­chen respekt­vol­len Miteinander.

Die­ser ein­fa­che Glau­ben muss vorn ste­hen und nicht eine Reli­gio­nen zu ihrer Selbstinitiierung.

Men­schen leben nach ihrem Glau­ben über­all auf der Welt - wie es auch der Bei­trag ver­an­schau­lich­te. Spielt die Art der Reli­gi­on eine Rol­le oder die Tat­sa­che, über­haupt einer Reli­gi­on anzu­ge­hö­ren? Nein - nicht die­se Fra­ge ist pri­mär. Wich­ti­ger erscheint mir die Fra­ge, ob man Huma­nis­mus glaubt und lebt oder eben nicht.

Ver­meint­lich Ungläu­bi­ge haben dar­in genau­so ihren Platz - NICHT aber “Schein­hei­li­ge”.

Wer das nicht leben kann, weil er ethisch-mora­li­schen und zivi­li­sier­ten Gebo­ten grund­le­gend im Han­deln wider­spricht, die­se Gebo­te nur des Vor­wands hal­ber gebraucht oder Sor­gen und Ängs­te von Men­schen nur für sei­ne Pro­pa­gan­da­zwe­cke miss­braucht, der hat nun mal KEINEN Glau­ben an den Mensch.

Ein Ter­ro­rist kann nie ein glau­ben­der Mensch, nie ein Mos­lem, nie ein Christ sein - er ist und bleibt Ter­ro­rist - denn, er tötet das Leben, “das Allah unver­letz­lich gemacht hat” (Koran, Sure 17 Vers 33). Ein Mensch, der im dem­ago­gi­schen, völ­ki­schen und fäka­len Stil fal­sche Pau­scha­lie­run­gen, Frem­den­feind­lich­keit, destruk­ti­ven Hass und Ultra­na­tio­na­lis­mus pro­pa­giert, kann nie ein glau­ben­der Mensch sein - er ist und bleibt ein unheil­vol­ler Neo­na­tio­na­list und Nazi - denn, “Du sollst nicht falsch Zeug­nis reden wider dei­nen Nächs­ten” (Luther-Bibel, Kapi­tel 20, 16).

Und wem oder was glau­ben wir in der Zukunft?

Viel­leicht erfah­ren wir eines Tages in den His­to­ri­en von der ers­ten Ampel­ko­ali­ti­on unter Bud­da, All­ha, Gott, ande­ren Göt­tern und Co-Regen­ten und dem neu erlas­se­nen gemein­sa­men Grund­ge­bot: „Wir schaf­fen den Men­schen nach sei­nem Bil­de.” Schon der vie­le Jahr­tau­sen­de alte, kul­tur­über­grei­fen­de Scha­ma­nis­mus lehrt ganz wie es auch die Grund­la­gen der Quan­ten­phy­sik abbil­den: “Alles ent­stammt einer Wur­zel” und Alles geht nach sei­ner Exis­tenz in die vor­han­de­ne Mate­rie und in die Unend­lich­keit ein.

Und, wer wür­de dann ange­sichts der Über­macht der ver­ein­ten Reli­gi­ons­phi­lo­so­phie eine Oppo­si­ti­on bil­den? Denn - bräuch­te die Welt nicht einen Gegen­pol, eine plu­ra­lis­ti­sche, fried­fer­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zung als Trieb­kraft? Die­se Oppo­si­ti­ons­kräf­te wür­den sicher die­se glau­ben­den, aber kon­fes­si­ons- und par­tei­lo­sen “Hei­den” sein.

Viel­leicht soll­ten sich die Reli­gi­ons­stif­ter wie Sid­dha­rtha Gau­t­ama, Moham­med, Bahaul­lah, Zara­thus­tra, Mose, Lao­zi, Jesus, Mani und wei­te­re mal zusam­men­set­zen - so doch wenigs­tens in der Vir­tua­li­tät - und ihren “Obers­ten” eine gemein­sa­me Rich­tung wei­sen. Ich müss­te mich dann nicht fra­gen: “Wo ist das Fami­li­en­ober­haupt, der Vater, der sei­nen zan­ken­den Jün­gern einen Klaps ver­ord­net und sie auf­for­dert: Ver­tragt und ergänzt Euch! Ohne dem Ande­ren ist jeder von euch ein Nichts!

Sonst hat nur das Nichts eine Zukunft - aber nicht der Glauben!

Eine Quan­ten-Reli­gio - orga­ni­siert in einem Reli­gio-Net - könn­te sie Alles mit­ein­an­der dau­er­haft und kon­flikt­frei ver­schrän­ken - in einer wah­ren mensch­li­chen Evo­lu­ti­on des Geis­tes? Ver­bun­den mit grund­sätz­lich neu­en öko­no­mi­schen Ansät­zen und Lösun­gen in einer künf­ti­gen Zugangs­ge­sell­schaft, die allen Men­schen zur Ver­fü­gung ste­hen, wür­de ein Weg des fried­li­chen Mit­ein­an­ders aller Reli­gio­nen und Anschau­un­gen wirt­schaft­lich, poli­tisch, reli­gi­ös, ideo­lo­gisch und ethisch-mora­lisch glei­cher­ma­ßen eine Lösung im glo­ba­len Stil bedeuten.

Wäre es ein Weg für ein Ver­mei­den eines sich anbah­nen­den ver­hee­ren­den Kol­laps der gesam­ten glo­ba­len Infra­struk­tur, z. B. in neu­en Krie­gen oder beim Zusam­men­bre­chen der begrenz­ten fos­si­len Energieressourcen?

Es wäre viel­leicht ein Weg für eine Weiterexistenz …

… und Zukunft mit rea­len Chan­cen für alle Betei­lig­te auf die­sem Glo­bus. Es wäre ein Weg für Mensch­lich­keit und der ein­zi­ge Weg für den Fort­be­stand des Homo Sapi­ens. Es wür­de Bedeu­tung und Not­wen­dig­keit einer Akzep­tanz des wirk­li­chen Glau­bens erschlie­ßen. “Einer tra­ge des ande­re Last!” (Zitat gleich­na­mig zum Buch von Wolf­gang Held und sei­ner Verfilmung).

Eine Epi­so­de ver­deut­licht das. Der Mos­lem Nasred­din Hod­scha hat­te ein bezeich­nen­des Erlebnis.

Nasred­din saß am Fluss­ufer, als jemand vom ande­ren Ufer aus rief: „Wie kom­me ich denn hier auf die ande­re Sei­te?” Drauf ant­wor­te­te Nasred­din: „Du bist auf der ande­ren Sei­te!

Also, eine Fra­ge des Stand­punk­tes? Oder ist es eher eine Fra­ge der umfas­sen­den Ver­nunft? Geht es hier um Wunsch­vor­stel­lun­gen - Wunsch­glau­ben? Nein, die Zivi­li­sa­ti­on steht heu­te vor der Gret­chen­fra­ge “Sein oder Nicht­sein” - gera­de in die­ser Zeit macht­vol­ler Schlüs­sel­tech­no­lo­gien. Reli­gio­nen tra­gen dabei eine maß­geb­li­che Ver­ant­wor­tung, die sie nun end­lich ernst­haft und vor allem gemein­sam wahr­neh­men müs­sen durch neue Glaub­haf­tig­keit, Ehr­lich­keit, Offen­heit und respekt­vol­le Koexis­tenz. Da führt mit abso­lu­ter Sicher­heit kein Weg dar­an vor­bei - auch nicht für den obers­ten Chris­ten der Katho­li­ken im Vatikan.

Ja - was ist schon absolut?

Nichts! Außer, der soeben getrof­fe­nen Aussage.

Es geht nicht dar­um, ob wir an Gott, uns selbst oder den Nächs­ten glau­ben. Ohne die­sem Glau­ben ste­hen wir nur vor dem Nichts ABER mit dem Glau­ben an das Tei­len, Respekt und die Wür­de vor einer wei­te­ren mensch­li­chen Evo­lu­ti­on in Frie­den, vor einer Neu­en Moder­ne. Ist das nicht eine Herausforderung?

War­um soll das - die gemein­sa­me “Quan­ten­re­li­gio” - nicht mög­lich sein? Weil es das Ende wäre.

GLAUBT mir doch einfach!

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